Kommentar zur Trauer um George Floyd Am Wendepunkt

Meinung | Houston · Die Trauer um George Floyd in den USA ist groß. Noch immer gehen unzählige Demonstranten auf die Straße, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren. Ist dies ein Wendepunkt, kommentiert Frank Herrmann.

 Beisetzung von George Floyd: Die Trauerfeier für den getöteten Afroamerikaner fand in der Kirche „The Fountain of Praise Church“ in Houston statt.

Beisetzung von George Floyd: Die Trauerfeier für den getöteten Afroamerikaner fand in der Kirche „The Fountain of Praise Church“ in Houston statt.

Foto: AP/Godofredo A. Vásquez

Ist es ein Wendepunkt? Hat sie den politischen Wandel zur Folge, die brutale Kaltblütigkeit, mit der ein Polizist, der sich seiner Macht sicher war, der darauf vertraute, dass kein Vorgesetzter ihn zur Rechenschaft ziehen würde, dem wehrlos am Boden liegenden George Floyd die Luft zum Atmen nahm? Ist der Schock nachhaltig genug, um ein Land, das acht Jahre nach der Wahl seines ersten afroamerikanischen Präsidenten in der Person Donald Trumps das hundertprozentige Kontrastprogramm zu Barack Obama ins Weiße Haus delegierte, erneut die Richtung wechseln zu lassen?

Antworten wird das Votum im November geben, mehr als eine Momentaufnahme ist im Juni nicht möglich. Wer sich an die falschen Prognosen von 2016 erinnert, wird sich hüten, schon jetzt den Abgesang auf den Amtsinhaber anzustimmen. Dennoch, manches lässt darauf schließen, dass Trump, so sehr er wohl auf das eine Drittel der Wählerschaft bauen kann, das mit ihm durch dick und dünn geht, den Draht zur Mitte der Gesellschaft verliert.

Umfragen zufolge halten fast zwei Drittel der Amerikaner die Proteste, die Floyds Tod folgten, für legitime Äußerungen berechtigten Unmuts. Ein Präsident, der Demonstranten mit Terroristen vergleicht und Soldaten einzusetzen droht, befindet sich im gedanklichen Konflikt mit der klaren Mehrheit seiner Landsleute. Das Video vom Tod George Floyds hat das weiße Amerika wohl noch mehr schockiert als das schwarze. Weißen hat es die Augen geöffnet. Bedauern zu äußern und schnell zur Tagesordnung überzugehen, das kam für viele diesmal nicht infrage. Zumindest für den Moment sieht es so aus, als wäre dies die Stunde der Wahrheit. Möglich, dass der Diskurs eine Langzeitwirkung entfaltet – und auch das Duell ums Weiße Haus bestimmt.

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