Kommentar Angela Merkel oder Peer Steinbrück - Die Wahl

Noch 81 Tage. Dann weiß Angela Merkel, ob der Volkssouverän ihr ein drittes Mal nach 2005 und 2009 das Mandat zur Bildung einer Bundesregierung gibt. Und dann weiß vermutlich auch Peer Steinbrück, ob vielleicht doch er für eine Mehrheit jenseits einer unionsgeführten Bundesregierung sondieren kann.

Für Steinbrück gilt diese Vermutung deshalb, weil in 81 Tagen noch vieles, wenn auch nicht alles, möglich ist. Entschieden ist diese Bundestagswahl mitnichten, auch wenn die Unionsparteien (43 Prozent) aktuell selbst ohne Koalitionspartner vor Rot-Grün (39 Prozent) stehen. Die politischen Lager Schwarz-Gelb und Rot-Rot-Grün liegen Kopf an Kopf.

Und so steht die Frage: Wer macht den Unterschied - Angela Merkel oder Peer Steinbrück? Die vorläufige Bilanz spricht für die Amtsinhaberin. Steinbrück tritt in Fettnäpfchen, Merkel auf rote Teppiche. Steinbrück müsste angreifen und produziert doch immer wieder (vermeidbare) Eigentore, Merkel taktiert in der gesicherten Defensive, weil sie erstens nicht angreifen muss und zweitens die Offensive ohnehin nicht ihre Sache ist.

Merkel lässt die Dinge laufen und Steinbrück machen. Und die Dinge laufen gut für sie. Doch ein Selbstläufer ist diese Wahl für die Kanzlerin nicht. Merkel hat die CDU so sehr in die Mitte gerückt, dass viele ihr in ihrer Partei nur widerwillig gefolgt sind. Abschied von der Wehrpflicht, Wiedereinstieg in den rot-grünen Atomausstieg, Ja zum tariflichen (nicht gesetzlichen) Mindestlohn, Ja zu einem moderneren Familienbild.

SPD und Grüne sagen bei solchen Themen, Merkel liefere nur die Kopie, sie selbst hätten das Original. Doch genau da muss Steinbrück ansetzen, will er Wechselwähler erreichen und so den nötigen Drei- bis Vier-Prozentpunkte-Swing schaffen, damit es am Ende vielleicht doch noch für eine SPD-geführte Bundesregierung reicht. Die Chance ist gering, aber sie ist da.

Ein Patt der Lager am 22. September ist nicht unwahrscheinlich. Vor allem: Wenn Schwarz-Gelb keine Mehrheit bekommt, ist vieles offen, auch das Ende der Amtszeit Merkels. Die Kanzlerin wird einem möglichen Koalitionspartner für ihre dritte Amtszeit weit entgegenkommen. Umgekehrt ist es für führende Grüne die letzte Chance auf ein Ministeramt.

In der SPD wiederum fürchten Spitzengenossen den Gang in eine große Koalition mehr als vier weitere Jahre Opposition. Noch einmal von Merkel auszehren lassen wollen sie sich nicht. Merkel müsste liefern: gesetzlicher Mindestlohn, Bürgerversicherung, Vermögensteuer. In der CDU ballen sie allein bei der Vorstellung schon jetzt die Faust, weil sie sich bereits ausreichend sozialdemokratisiert fühlen. Steinbrück wäre raus, weil er nicht den Vize-Kanzler bei Merkel geben wird. Hat da nicht mal irgendjemand gesagt, Opposition sei Mist? Es kommt auf die Optionen an.

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