Kommentar Annäherung an die Linkspartei - SPD im Dilemma

Bonn · Was haben viele Sozialdemokraten in all den Jahren geschimpft, gewarnt und gedroht. Sie haben sich von den Linken distanziert. Sie haben die Linkspartei als Rückzugsort von Sektierern und politischen Blindgängern bezeichnet, denen man keine Verantwortung übergeben dürfe. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung sieht das genauso.

Weil es größtenteils stimmt.

Natürlich haben die Linken auch Pragmatiker in ihren Reihen. Doch die bilden die Minderheit. Die Linkspartei steht im Osten in der Nachfolge der SED, im Westen dient sie als Sammelbecken von SPD-Enttäuschten und linken Splittergruppen. In ihrer Mehrheit ist die Partei in der Finanz-, Wirtschafts-, Sicherheits- und Außenpolitik weder regierungsfähig noch regierungswillig.

Dass die SPD auf ihrem Parteitag den Abgrenzungskurs verlassen und sich zusätzliche Koalitionsoptionen sichern will, mag machtpolitisch nachvollziehbar sein. Denn die Sozialdemokraten werden absehbar nicht die Nummer 1 im Bund werden. Wollen sie nach drei verlorenen Bundestagswahlen irgendwann wieder eine Regierung führen, muss dies mutmaßlich eine Koalition mit Grünen und Linken sein. Ansonsten bleibt nur der Juniorpart in der großen Koalition oder die Opposition.

Auch der Zeitpunkt des SPD-Linksschwenks kommt nicht überraschend. Es muss möglichst viel Zeit bis zur nächsten Wahl bleiben, um sich den Linken anzunähern. Ferner will man die Empörung auch in den eigenen Reihen abkühlen lassen und die Linken mittelfristig salonfähig machen. Soviel zum Machtkalkül im aktuellen und absehbaren Parteienspektrum.

Doch es gibt noch eine andere Ebene. Die Linken als Teil einer Bundesregierung stellen - nachvollziehbar - in weiten Teilen der Wählerschaft ein Schreckgespenst dar. Das sehen auch viele SPD-Mitglieder so, die lieber einer Wahl fernbleiben würden, als mit ihrer Stimme eine Koalition mit den Linken zu unterstützen.

Ganz abgesehen davon dürfte die sozialdemokratische Öffnung auch der CDU/CSU in die Karten spielen. Da wird es für die nächsten Jahre und vor allem für den Wahlkampf 2016/17 reichlich Futter für die Union geben. Ganz abgesehen davon müssten sich SPD und Linke auch auf Kommunal- und Landesebene deutlich annähern, um überhaupt eine Basis für eine weitergehende Zusammenarbeit bis hin zur Regierungsverantwortung im Bund zu schaffen.

Richtig ist, dass bis zur nächsten Wahl noch ordentlich Zeit bleibt. Und doch dürften die aktuellen Machtspielchen in der SPD-Spitze so manchen Wähler und so manchen Sozialdemokraten erheblich beunruhigen. Denn wer die Linken ernsthaft als möglichen Koalitionspartner in einer Bundesregierung platziert, der zeigt allen, in welchem Dilemma er steckt. Das der SPD ist offensichtlich sehr groß.

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