Kommentar Atom-Abkommen mit dem Iran - Tauwetter

Der 24. November 2013 könnte ein historisches Datum werden: Der Tag, an dem in Genf eine vorläufige Einigung über das iranische Atomprogramm zustande kam. Der deutsche amtierende Außenminister Guido Westerwelle spricht von einem Wendepunkt und trifft die Sache damit ziemlich genau. Nach zehnjähriger Blockadehaltung der Iraner hat Teheran schriftlich zugesichert, wesentliche Teile des Programms, die zum Bau einer Atombombe dienen können, einzufrieren.

Die Frage, ob die USA, die Europäer, Russland und China ein gutes Interimsabkommen geschlossen haben, wird sich erst später beantworten lassen. Denn das hängt davon ab, ob Iran die Zusage einhält und den internationalen Inspektoren tatsächlich den freien Zutritt zu den Atomreaktoren und den Urananreicherungsanlagen gewährt.

Aber das wird sich schnell zeigen. Iran darf sich sicher sein, dass der Westen eine Wiederholung des jahrelangen Versteckspiels mit den Inspektoren nicht mitmachen wird. Ohnehin werden die Wirtschaftssanktionen nur zu einem kleinen Teil gelockert. Kommt es innerhalb von sechs Monaten nicht zu einem endgültigen Abkommen, werden die Sanktionen automatisch wieder voll wirken.

Ob dies ein guter Deal ist? Man muss sich nur fragen, was passieren würde, wenn es kein solches Interimsabkommen gäbe und stattdessen über Monate weiterverhandelt würde. Der Iran würde ungehindert Uran anreichern, bis es für einen Atomsprengkopf reicht, und den Schwerwasserreaktor in Arak weiterbauen, wo atomwaffenfähiges Plutonium produziert werden kann. Die israelische Regierung ist dennoch entsetzt über die Einigung, vor allem weil die Urananreicherung nur gedrosselt, nicht aber ganz eingestellt wird, wie es auch UN-Resolutionen fordern.

Dies ist ein Zugeständnis an den Iran, das kalkulierbar erscheint. Die Drohungen aus Israel, dass man sich einen Militärschlag offenhalte, sind inzwischen in doppelter Hinsicht ein Zeichen der Schwäche: Erstens weil sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu fragen lassen muss, warum er nicht früher gehandelt hat. Und zweitens weil das Zeitfenster für eine militärische Option die nächsten sechs Monate erst einmal geschlossen ist, während die diplomatischen Bemühungen weiterlaufen, eine endgültige Einigung mit Iran zu schließen. Zudem ist höchst umstritten, ob sich Iran noch militärisch stoppen ließe.

Insofern spricht alles für eine politische Lösung. Es wäre ein Kompromiss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, denn der Westen macht damit auch deutlich, dass er mit dem Abkommen keinen Regimewechsel oder Menschenrechtsfragen verbindet. Weil US-Präsident Barack Obama das von Anfang an klar gemacht hat, ist es überhaupt zu dem Tauwetter im Verhältnis zu Teheran gekommen.

Es geht einzig und allein darum sicherzustellen, dass das Land keine Atombombe baut und damit in der Region keinen Rüstungswettbewerb auslöst. Findet Iran nach Aufhebung der Sanktionen wieder wirtschaftlich auf die Beine, könnte sich gerade daraus ein Tauwetter auch im Innern ergeben. Nicht zuletzt zum Wohle Israels.

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