Aufnahme von Flüchtlingen in der EU - Mehr Solidarität

Brüssel · Kaum ein Begriff fiel so häufig wie das Wort "Solidarität", als Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans gestern in Brüssel die neue Migrationsstrategie vorstellte. Dabei gibt es nichts, was der Europäischen Gemeinschaft in diesem Moment mehr fehlt.

Zwar wird in Brüssel versichert, dass Europa dem Sterben nicht tatenlos zusehen könne. Doch offenbar endet die Hilfsbereitschaft einiger Mitgliedstaaten am italienischen Ufer.

Während sich die Staats- und Regierungschefs beim EU-Sondergipfel einig waren, dass die Mittel für die von der EU-Grenzschutzagentur Frontex geführte Seenotrettung Triton aufgestockt werden müssen, hält sich die Bereitschaft, die Geretteten aufzunehmen, in Grenzen. Drei Viertel der Asylanträge entfallen auf nur fünf der 28 Mitgliedsstaaten. Das kann und darf angesichts der Krisenherde in Syrien, dem Irak und Nordafrika nicht so bleiben.

Der Vorstoß der Kommission, eine verpflichtende Quote einzuführen, ist deshalb gut und richtig. Dass sie keine Lösung für die Ursachen der Flüchtlingsströme sein kann, stimmt zwar. Aber sie kann ihre Symptome lindern. Die Befürchtung, damit erst recht Migranten aus anderen Ländern anzulocken, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Doch dem kann man abhelfen.

Das beginnt schon mit der Erfassung der Flüchtlinge und ihrer Begleitung bei den Asylverfahren. Sie müssen zügiger durchgeführt werden. Es kann nicht sein, dass Menschen Monate oder Jahre darauf warten, Gewissheit darüber zu bekommen, ob sie bleiben dürfen oder gehen müssen. Im Gegenzug sollten jene, die sich illegal in Europa aufhalten und keinen Anspruch auf Asyl haben, zügiger abgeschoben werden: Nur 39,2 Prozent jener Migranten, die keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen haben, wurden 2013 zurück in ihre Heimatländer gebracht. Es sind Argumente wie diese, die für Zuwanderungskritiker wie Großbritannien ein gefundenes Fressen darstellen - und die es auszuräumen gilt.

So hart das auch klingen mag: Die EU kann nicht alle Flüchtlinge, die dem Elend entfliehen wollen, aufnehmen. Zwar will die Kommission die Armutsbekämpfung und Entwicklungshilfen verstärken. Doch das ändert nichts daran, dass die Hilfe für jene, die in Europa auf eine bessere Zukunft - ein Leben ohne Armut - hoffen, mit dem Rückflug in ihre Heimat endet. Deshalb muss die Gemeinschaft die Herkunftsländer der Flüchtlinge stärker in die Pflicht nehmen. Sie müssen ihre Staatsbürger wieder "zurücknehmen". Helfen kann ihnen die Union nur, indem sie Unterstützung bei Aufklärungskampagnen und Reintegrationsmaßnahmen bietet. Ein solches Informationszentrum soll in Niger schon Ende des Jahres getestet werden. Für jene, die Opfer von Kriegen und Verfolgung sind, müssen die Tore zur EU aber offen bleiben. Es ist ein Mindestmaß an Solidarität, das Europa diesen Menschen schuldig ist.

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