Auswirkungen der Finanzkrise

Das Ende der Zügellosigkeit

Siebenhundert Milliarden, 35 Milliarden, 15 Milliarden? Darf´s was mehr sein? Dem Normalbürger muss schummrig werden vor Augen, wenn er in diesen Tagen mit ansehen muss oder darf, was in der Finanzwelt angerichtet wird.

Und es ist dem Normalbürger nicht zu verargen, dass er Bürgschafts-Milliarden und Ausgaben-Milliarden nicht mehr auseinanderhält, zumal aus dem einen schneller als gedacht das andere werden kann.

Eine Krise hat die Welt erfasst, deren ganze Dimension noch nicht annähernd klar ist. Und dennoch ist es eine Krise, die bewältigt werden muss, ehe eben jener Normalbürger in Panik gerät. Denn das haben alle bisherigen großen Finanzkrisen natürlich auch gezeigt: Panik ist der schlechteste aller Ratgeber.

Deshalb ist es gut, dass Angela Merkel und Peer Steinbrück schnell die Zeichen der Zeit erkannt haben und versuchen, Signale des Vertrauens zu senden. Die Garantieerklärung für Einlagen auf Spar- und Girokonten ist so ein gutes Signal. Sie ist ein kleines Element in dem Kampf, das Drehen in die Abwärtsspirale zu verhindern.

Denn der Vertrauensverlust erfasst ja alle. Konsumenten können in den Ausgabenstreik treten, was Nachfrage reduziert und Wirtschaftswachstum lähmt. Längst vertrauen sich die Banken untereinander nicht mehr, Geld wird knapp, Investitionen gebremst.

Doch die Krise wird viel tiefer gehen. Sie wird zu einer neuen Wertediskussion in der westlichen Gesellschaft führen müssen. Sie wird die Frage nicht mehr nur stellen, ob ungezügelte Geldgier von Spekulanten und Bankern sein darf, sie wird sie verneinen.

Sie wird das hohe Lied der freien Marktwirtschaft in Frage stellen, dessen einzige Strophe lautete: "Alles, was frei ist, ist gut". Sie wird also der Finanzwelt neue Regeln zu geben, so wie sie im Rest unserer Gesellschaft auch gelten.

Das beginnt nicht erst bei den unanständig hohen Managergehältern, bei Verträgen, die noch für das grandiose Scheitern Riesenabfindungen vorsehen. Es geht um die Systemfrage oder um die Renaissance des Sozialen in der Marktwirtschaft. Es kann nicht sein, dass weiterhin in einem so gigantischen Ausmaß Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.

Es kann nicht sein, dass der kleine Steuerzahler für die großen Versäumnisse der Banker einzustehen kann. Es geht nicht an, in einer solchen Situation den Gewerkschaften, die so zurückhaltend waren, neue Lohnzurückhaltung aufzuerlegen. Es kann nicht sein, dass eine Firma oder Bank nur groß genug sein muss, um vom Staat gerettet zu werden. Es kann nicht sein ...

In dieser Krise liegt Stoff für ein ganzes Regierungsprogramm, für eine wahrhaft große Koalition. Erste Anzeichen gibt es: SPD und Union rücken zusammen - und die FDP kann schon mal beginnen, ihr Programm neu zu schreiben.

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