Kommentar zu Seiteneinsteigern an Schulen Begeisterung zählt

Meinung | Bonn · Deutschland braucht dringend mehr Lehrer – aber zu welchem Preis? Der Lehrerverband findet drastische Worte. Ein guter Lehrer muss von seinen Fächern begeistert sein, kommentiert Raimund Neuß.

 Deutschland braucht dringend mehr Lehrer – aber zu welchem Preis?

Deutschland braucht dringend mehr Lehrer – aber zu welchem Preis?

Foto: dpa/Patrick Pleul

Ein Verbrechen an den Kindern? Wenn man hört, was der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes über – angeblich – schlecht qualifizierte Seiteneinsteiger im Schuldienst zu sagen hat, möchte man diesen Herrn Heinz-Peter Meidinger um Mäßigung seines Tonfalls bitten.

4800 Lehrer sind 2018 als Seiteneinsteiger aus anderen Berufen ins Lehramt gewechselt. Sie müssen nun erleben, dass ein Vertreter des eigenen Berufsstandes ihre Qualifikation pauschal in Zweifel zieht. Sie alle haben eine fachliche Ausbildung – in der Regel ein Studium – und eine pädagogische Weiterbildung absolviert.

In der Praxis dürfte für Seiteneinsteiger gelten, was sich auch bei Inhabern des altmodischen zweiten Staatsexamens oder des hochmodernen Mastertitels stets von neuem zeigt: Ein guter Lehrer muss das Herz auf dem rechten Fleck haben und von seinen Fächern begeistert sein. Das bewährt sich immer wieder, ob es ums Rechnen für Grundschulkinder geht oder um Atomphysik. Was also spricht dagegen, dass bewährte Praktiker zum Beispiel an Berufsschulen wechseln (zehn Prozent aller Seiteneinsteiger im vergangenen Jahr) oder Mathe und Naturwissenschaften unterrichten (fast 25 Prozent)?

Meidingers Kritik wäre ernster zu nehmen, wenn das eigentliche Problem im Zentrum stünde: Viele Bundesländer haben bei der Planung ihrer Lehrerausbildung versagt. Bemerkenswert, dass Bayern ohne Seiteneinsteiger auskam, während die Partyhauptstadt Berlin (dort gibt es auch die von Meidinger erwähnten Crashkurse) jeden zweiten Lehrer auf diesem Wege einstellen musste. Dem dortigen Senat gebührt die Entlassung mit einer Sechs auf dem Abgangszeugnis – aber die Debatte sollte nicht auf Rechnung jener geführt werden, die auch an Berliner Schulen jetzt die Arbeit machen.

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