Kommentar Berlin und die NSA-Ausspähaffäre - Merkels Problem

In der Welt der Geheimdienste ist nichts unmöglich. In sinisteren Runden und auf dunklen Kanälen sind schon gewaltige Verschwörungen durch machtvolle Netzwerke entschieden, geplant und vollstreckt worden. Derzeit beleuchten in Deutschland Untersuchungsausschüsse im Bundestag und in drei Landtagen, ob und was Verfassungsschützer im Falle der beispiellosen Mordserie der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU, und sei es fahrlässig, womöglich mitverursacht oder zumindest nicht verhindert haben. Dabei geht es um bislang nicht vermuteten Terror, der seine Wurzeln im Land hat.

Im Falle der Ausspähattacken durch den US-Geheimdienst NSA geht es gleichfalls um Terror. Der feine Unterschied: Die Lauscher von der NSA wollen Terror abwehren und greifen dafür Freiheitsrechte von Bürgern auch auf nicht-amerikanischem Boden an. Niemand hat davon gewusst? Richtiger ist wohl: Niemand wäre sehr erstaunt, wenn es unter Regierungen und Geheimdiensten ein informelles Stillhalteabkommen nach bewährter Praxis gäbe, nach dem Motto: Wir liefern die Information, und Ihr fragt nicht nach, woher wir sie haben.

Würde es jemand ernsthaft erstaunen, wenn der deutsche Auslandsgeheimdienst BND seit Jahren von den Spähattacken der National Security Agency gewusst hätte? Und wenn es der BND weiß, sollte es der für die Koordination der Geheimdienste zuständige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) doch hoffentlich auch gewusst haben, wenn vielleicht auch nicht das ganze Ausmaß. Und wenn es Pofalla gewusst hat, dann sollte seine Chefin, die Bundeskanzlerin, vielleicht irgendwie einen kleinen Wink bekommen haben? Oder vielleicht zu ihrem eigenen Schutz besser doch nicht?

Es gibt viele Fragen, die Bürger, Internetnutzer, Abgeordnete und auch Regierungsmitglieder gerne beantwortet hätten. Die Antworten, die Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von seinem zugegeben sehr undankbaren Besuch aus Washington mitgebracht hat, sind dürftig. Dass Friedrich die Amerikaner für den Schutz der Privatsphäre in Deutschland sensibilisiert haben will, wird den großen Bruder so sehr aufgerüttelt haben, dass der Minister mit einigermaßen leeren Händen zurückgekehrt ist.

Die Bundeskanzlerin hat jedes Interesse, das Thema so weit wie möglich zu kontrollieren. Im Wahlkampf kann sie nichts weniger brauchen als Post, die sie nicht mehr einsammeln kann. Und wer hätte schon gedacht, dass der Datenschutz womöglich zu einem bedeutenden Thema in diesem Wahlkampf wird. Wäre nicht parlamentarische Sommerpause, Merkel würde jetzt mit einer Regierungserklärung versuchen, Land, Opposition, aber auch die eigenen Reihen zu beruhigen. Doch so wabert das Thema weiter. PRISM ist ein Spähprogramm. Merkel muss sehr aufpassen.

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