Kommentar Bildung und Föderalismus - Reformator Röttgen

Problem erkannt, Gefahr gebannt? Wenn es so einfach wäre, dann wären die Probleme des Bildungsföderalismus längst gelöst. Längst heißt seit Jahrzehnten. Denn seit Bildung ein öffentlich diskutiertes Thema ist - und das ist seit den 60er Jahren der Fall -, sind die Fallen, die der Föderalismus bei diesem Thema stellt, bekannt.

Aber Norbert Röttgen, der CDU-Spitzenkandidat in NRW, macht es sich zu leicht, wenn er dieses Problem über Kernlehrpläne regeln will.

Befund Nummer eins: Das Problem unterschiedlichen Lernens an Schulen in Deutschland stellt sich nicht allein zwischen den Ländern. Selbst wer innerhalb einer Stadt das Gymnasium wechselt, kann vom Regen in die Traufe kommen. Zugegeben: Die Wechselschwierigkeiten wachsen mit den Entfernungen. Wer aus dem sozialdemokratisierten Bremen ins christsoziale Bayern wandert, muss sein blaues Wunder erleben.

Befund Nummer zwei: Dass dies so ist, liegt nicht nur an den Lehrplänen. Denn selbst gleiche Lehrpläne garantieren nicht gleichen Unterricht. Sollen sie auch gar nicht.

Denn - und das ist Befund Numer drei: Die Vereinheitlichung von Schule in Deutschland steht in einem unauflösbaren Widerspruch zur Forderung nach individuellem Lernen und nach mehr Freiraum für die einzelne Schule. Diese Forderungen aber werden landauf landab aufgestellt. Das heißt: Radikale Lösungen im Schulsystem wird es nicht geben können. Es geht um ein geschicktes Ausbalancieren des Verhältnisses von Freiheit und Gleichheit. Und das gilt eben nicht nur für die leidige Schulstrukturdebatte. Gleiches gilt für die Inhalte. Und hier liegt in der Tat ein Skandal. Denn ebenfalls seit Jahrzehnten hauen sich Christ- und Sozialdemokraten ihre unterschiedlichen Bildungskonzepte um die Ohren, ohne den ernsthaften Versuch einer Annäherung zu machen.

Ein bayerischer Kultusminister wird immer im Wissenbüffeln das Heil seines Systems sehen, ein bremischer Kultursenator in der Förderung derer, die schlechtere Ausgangsvoraussetzungen haben, und damit in der sozialen Ausgleichsfunktion von Schule. Dabei müsste den Streitenden eigentlich klar sein, dass beide Ziele in jeder einzelnen Schule miteinander verbunden werden müssen. Sowenig man in der Realität jedes Kind fördern kann, bis der SPD-Slogan: "Wir lassen kein Kind zurück" stimmt, so wenig kann man aus allen Schülern Einserkandidaten machen.

Und dann ist man ganz schnell wieder bei den Strukturfaktoren: Die beste Förderung für Schule besteht in ihrer auskömmlichen Ausstattung, ja, mit Geld und damit mit Personal. Wäre das in Deutschland endlich gewährleistet, wäre auch der Wechsel kein Wagnis mehr.

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