Kommentar Bitte weiter einkaufen!
Der Sturm der Entrüstung ist erwartungsgemäß riesig: Über in Kleidung eingenähte Zettel schicken Näherinnen aus Bangladesch einen vermeintlichen Hilferuf in die Welt, in dem sie die schlechten Arbeitsbedingungen in ihrer Fabrik öffentlich machen.
Im Fokus ihrer Kritik: die britische Billigmodekette Primark. Prompt melden sich Organisationen, Politiker und selbst ernannte Moralapostel zu Wort und fordern Konsequenzen. Primark müsse sofort handeln. Ob die Hilferufe echt sind, kann nicht abschließend geklärt werden.
Zumindest aber haben sie einen Zweck erfüllt: Sie haben eine neue Diskussion über die Zustände in Billiglohnländern angestoßen - und die ist auch dringend notwendig. Nicht zuletzt auch wegen solcher Ereignisse wie dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch, bei dem im vergangenen Jahr mehr als 1120 Menschen starben.
Aber was kann ich als Otto-Normal-Verbraucher tun? Einfach nicht mehr bei Primark einkaufen? Nein, denn ein Boykott hilft höchstens, das eigene Gewissen zu beruhigen. Den Arbeitern in Asien ist damit nicht geholfen - womöglich tritt sogar das Gegenteil ein. Denn was passiert wohl, wenn hier bei uns Textilunternehmen pleite gehen? Die Näherinnen vor Ort verlieren ihren Job, manche müssen zurück in die Elendsdörfer, aus denen sie geflohen waren. Genug zu essen haben sie dort meist nicht, wenn die nächste Dürre kommt. Nein, so geht's nicht.
Die Arbeiter haben es auch selbst in der Hand, etwas zu verändern. Das können sie aber nur, wenn sie gestärkt sind. Und das wiederum sind sie erst dann, wenn die Firmen, für die sie nähen, auch laufen - und man so auf die Arbeiter angewiesen ist. Das Beispiel China zeigt es: Dort schließen sich Arbeiter heute in Gewerkschaften zusammen, treten in Streiks und können so Forderungen durchsetzen.
Also kaufen Sie ruhig weiter ein - bei Primark, Adidas, H&M oder im Fair-Trade-Shop. Streiken müssen nicht Sie, sondern die Arbeiter in Asien. Und wir sollten sie dabei unterstützen.