Kommentar BND/NSA-Affäre - Genug gelauscht

Staatsaffäre? Das ist vielleicht ein bisschen sehr dick. Nun gut, SPD-Chef Sigmar Gabriel hat, als er in einer Bewertung der BND/NSA-Affäre den Ball sehr scharf in Richtung Bundeskanzlerin spielte, im Konjunktiv gesprochen.

Es wäre eine Staatsaffäre, sollte sich herausstellen, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst den US-Lauschern geholfen hat, deutsche Unternehmen auszuforschen. Richtig ist: Die Enthüllungen wie auch das anhaltende Schweigen von Angela Merkel drohen zu einer echten Belastungsprobe für die große Koalition zu werden. Dabei ist anders als 2013, als Enthüllungen des früheren NSA-Analysten Edward Snowden auch die Öffentlichkeit in Deutschland aufhorchen ließen, aktuell kein Wahlkampf in Deutschland, auf den die Bundeskanzlerin Rücksicht nehmen müsste. Sie könnte aufklären. Sie lässt es aber erkennbar sein. No-spy-Abkommen? Die USA wollten und wollen es nicht.

Der zuletzt aufgedeckte Lauschangriff der NSA in Deutschland und Europa ist zumindest für die SPD so viel Staatsaffäre, dass Parteichef Gabriel versucht, die Scheinwerfer auf die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin zu richten. Es ist - nach knapp 18 Monaten ertragenem Arbeitsfrieden zwischen CDU, CSU und SPD - der erste nennenswerte Angriff des Vize-Kanzlers auf die Chefin dieser großen Koalition. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi legt nach und stellt Merkel ein Quasi-Ultimatum.

Das ist frech und liegt konsequent auf der Angriffslinie. Bis zum Auftakt der nächsten Parlamentssitzungswoche in zwei Wochen, so Fahimi, soll eine Entscheidung her, wie der Bundestag die Liste mit den Suchbegriffen der NSA prüfen kann. Ende des Aussitzens.

Die Union kocht. Koalitionsfrieden gefährdet. Wirklich? Warum dann nicht aufklären? Alle wissen: Das Konsultationsverfahren mit dem großen Bruder in Amerika ist ein ideales Verfahren für Verschleppung. So war es 2013. So ist es 2015. Merkel muss berücksichtigen: Das Geheimdienstgeschäft lebt vom Geben und Nehmen. Unser Netzwerk gegen eure Information. Auch durch das Wissen ausländischer Nachrichtendienste sind Anschläge in Deutschland und auf Bundeswehrsoldaten im Ausland verhindert worden. Daran muss eine Bundeskanzlerin, dem ganzen Land und nicht nur dieser Koalition verpflichtet, immer denken. Das weiß auch ihr Vize-Kanzler.

Die Idee eines deutschen Sonderermittlers ist eine schöne Regierungserfindung. Damit würde das Parlament entmachtet. Der Bundestag, der die Regierenden auch kontrollieren soll, könnte in diesem Fall gleich in die Sommerferien gehen. Aufklärung, adieu! Merkel und Gabriel (und natürlich CSU-Chef Horst Seehofer) werden sich wieder vertragen. Sie müssen noch ein Weilchen gemeinsam regieren. Staatsaffäre? Ach was! Es ist einfach ein erstes Testen. Vorwahlkampf. Gabriel will es zumindest versuchen.