Kommentar zur NSA-Affäre Bundesanwaltschaft muss Ermittlungen einleiten

Berlin · Man stelle sich vor, ein deutscher Hacker oder der Chaos Computer Club würden über Jahre das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abhören und auch noch den Datenverkehr von Millionen deutscher Internetnutzer abfangen, was würde der Generalbundesanwalt in seinem solchen Fall wohl tun?

Richtig, die obersten Strafverfolger des Bundes, geleitet von Harald Range, würden zumindest Ermittlungen aufnehmen und überlegen, ob sie auf deren Basis womöglich ein Strafverfahren einleiten können. Nur damit es nicht vergessen wird: Range übt das Amt des Staatsanwaltes in allen schwerwiegenden Staatsschutzstrafsachen aus, die die innere oder äußere Sicherheit in besonderem Maße berühren.

Schwerwiegend ist die Spionage des US-Geheimdienstes NSA in Deutschland bis in die höchste Regierungsetage allemal. Auch Deutschlands Sicherheit darf man berührt sehen, wenn ausländische Geheimdienste (und seien ihre Regierungen noch so verbündet) unerlaubt in den Besitz von Wissen über deutsche Regierungsentscheidungen kommen.

Range müsste von Amts wegen seiner Pflicht nachkommen und ermitteln. Genau dies aber will der Generalbundesanwalt im Falle der Datenschnüffelei der National Security Agency nicht tun. Die Begründung der Karlsruher Strafverfolger ist dabei so hanebüchen, dass man sie kaum glauben kann. Range und seine Mannen wollen erst gar keine Ermittlungen aufnehmen, weil sie bereits vorher annehmen, dass beispielsweise US-Behörden Rechtshilfeersuchen unbeantwortet ließen, Zeugen nicht gehört werden könnten und auch kein Einblick in Dokumente gewährt würde. Aber bitte, einen Zeugen, den man getrost Kronzeugen nennen kann, hätte Range in jedem Fall: Edward Snowden, just jener ehemalige NSA-Analyst, der die Gebaren seines früheren Arbeitgebers erst weltweit bekannt machte. Niemand hindert den Generalbundesanwalt, Snowden anzuhören. Es sei denn, es gäbe da einen informellen Fingerzeig aus Berlin. Hände weg von der NSA!

Doch die Strafverfolger geben sich in der NSA-Affäre allzu hasenfüßig. Den Versuch erst gar nicht zu wagen, weil er sich am Ende nicht lohnen könnte, ist in diesem Fall nicht nur halbherzig, mutlos oder zögerlich. Es ist schlicht Untätigkeit im Amt. Es lebe die Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland. Trotzdem: In diesem Fall dürfte der Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zumindest überlegen, ob er den Generalbundesanwalt nicht anweisen sollte (was er könnte), im Interesse der inneren wie der äußeren Sicherheit des Landes Ermittlungen aufzunehmen. Auch wenn ein solcher Schritt unschick wäre.

Am Ende muss der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages dem Generalbundesanwalt vormachen, wie in dieser Sache Zeugen gehört und Dokumente zumindest angefordert werden können. Ob der Ausschuss die Unterlagen dann auch bekommt, ist eine ganz andere Frage. Aber die Parlamentarier versuchen es zumindest. Die NSA darf alles? Dann darf der Generalbundesanwalt auch ermitteln.

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