Kommentar Chance beim Radschnellweg verpasst

Bonn · Im Ruhrgebiet wird gerade ein 85 Kilometer langer Radschnellweg zwischen Duisburg und Hamm geplant. Jetzt kommen fünf weitere dieser im Volksmund Fahrradautobahn genannten Wege in anderen Landesteilen mit einer Gesamtlänge von rund 150 Kilometern hinzu. Beides zeigt: Die Landesregierung und die sie tragende rot-grüne Koalition räumen dem Fahrradverkehr in Nordrhein-Westfalen einen höheren Stellenwert ein.

Nicht nur unter touristischen Aspekten, sondern insbesondere unter Alltagsgesichtspunkten. Dahinter steckt die Vorstellung, mehr Pendler als bisher zum Umsteigen - weg vom Auto, hin zu Verkehrsmitteln des Umweltverbundes - zu bewegen. Angesichts der zahlreichen Staus im Berufsverkehr ist diese Strategie richtig.

Dabei ist klar: Nicht jeder wird aufs Rad umsteigen, der in der Nähe eines gut ausgebauten Radweges wohnt und arbeitet - schon gar nicht im November. Natürlich kann der Bau von Radschnellwegen auch nicht die Lösung für die gravierenden Verkehrsprobleme im Land sein. Marode Straßen und Schienen zu reparieren, ständig verstopfte Autobahnen zu erweitern und dringend erforderliche Umgehungsstraßen zu bauen, ist unerlässlich, um die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen zu sichern. Aber auch um Menschen, die auf dem Land leben, den Weg zum Arbeitsplatz in den Ballungsgebieten nicht unnötig schwer zu machen.

Doch gerade weil der überörtliche Verkehr an Bedeutung gewonnen hat und noch gewinnen wird, ist es richtig, in den verdichteten Gebieten neue Anreize wie Radschnellwege zu schaffen. Denn viele würden sicher gern umsteigen. Wer heute mit dem Rad zur Arbeit fährt, tut zwar einiges für die Gesundheit, gerät aber nicht selten in Konflikt mit Autofahrern. Zudem lauern Gefahren wie nicht abgesenkte Bordsteinkanten, von Wurzeln aufgebrochene Asphaltdecken, Schlaglöcher oder auch Bahnschienen. Dass manche Radfahrer keine Engel sind und ohne Rücksicht, etwa auf Fußgänger, fahren, sei an dieser Stelle auch erwähnt.

Die Region hat jedenfalls eine große Chance gehabt, viel Positives mit einer vergleichsweise kleinen Finanzspritze auszulösen - wenn sie denn mit einem konkurrenzfähigen Beitrag in Düsseldorf angetreten wäre. Aber mit der Absage Sankt Augustins, sich am Wettbewerb zu beteiligen, waren Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis chancenlos. Schade, Chance verpasst. Da fehlte den meisten Kommunalpolitikern im Stadtrat offenbar der Blick für das große Ganze.

Dieses Verhalten zeigt aber auch wieder einmal nachdrücklich, dass es mit der Zusammenarbeit in der Region nicht zum Besten steht. Vielleicht hätten die Befürworter des Projekts die Gegner ja noch überzeugen können - wenn man denn schon frühzeitig miteinander geredet hätte.

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