Kommentar zur Corona-Krise Es ist jede Mühe wert

Meinung | Bonn · Für viele Menschen unter uns geht es in den kommenden Wochen ums Überleben. Es ist jede Mühe und alle Opfer wert, diese Menschen vor Schlimmerem zu schützen. Das Wesentliche ist der Schutz des Lebens. Alles weitere muss sich finden, kommentiert Helge Matthiesen.

  Vorschriftsmäßig: Ein Mann desinfiziert im Foyer der Bundeskunsthalle seine Hände und drückt dabei den Bügel des Spenders mit seinem Ellenbogen herunter.

Vorschriftsmäßig: Ein Mann desinfiziert im Foyer der Bundeskunsthalle seine Hände und drückt dabei den Bügel des Spenders mit seinem Ellenbogen herunter.

Foto: dpa/Oliver Berg

Deutschland ist den Umgang mit großen Krisen, die wirklich jeden einzelnen betreffen, schon lange nicht mehr gewohnt. Der zeitlupenhafte Zusammenbruch des öffentlichen Lebens binnen einer Woche und bis auf Weiteres hat so kein Vorbild in der jüngeren Geschichte. Man muss schon in die frühen 1970er Jahre zurückschauen, als die Ölkrise und die nachfolgenden Fahrverbote an Sonntagen eine vergleichbare Situation darstellten. So tief wie derzeit ging das jedoch nie. Jetzt schließen auch noch Schulen, Kitas und Hochschulen. Das öffentliche Leben erstarrt.

Die Deutschen werden auf das Wesentliche zurückgeworfen, denn für viele Menschen unter uns geht es in den kommenden Wochen ums Überleben. Das ist nicht zu hoch gegriffen, schaut man auf die Entwicklung in China, Italien oder Frankreich, wo schon sehr viele alte oder vorerkrankte Menschen dem neuen Virus zum Opfer gefallen sind. Es ist jede Mühe und alle Opfer wert, diese Menschen vor Schlimmerem zu schützen. Das Wesentliche ist der Schutz des Lebens. Alles weitere muss sich finden.

Darin steckt eine große Härte für viele Menschen: Für Unternehmer, denen die Aufträge wegbrechen; für Eltern, die ihre Kinder betreuen müssen; vor allem für all jene, die in den Krankenhäusern aktiv gegen das Virus und seine Folgen kämpfen. Sie werden in den kommenden Wochen noch viel mehr Unterstützung brauchen als bisher schon. Große Krisen sind immer auch ein Test für eine Gesellschaft, ob sie den notwendigen Zusammenhalt zustande bringt, um ihre  schwächsten Glieder zu schützen. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.

Längere Phase erzwungener Ruhe

Denn auch das ist klar: Wir gehen jetzt in eine längere Phase erzwungener Ruhe. Vielen Menschen fällt indes wenig schwerer, als sich selbst ausgesetzt zu sein, weil es an Zerstreuung fehlt. Nichts ist womöglich schlimmer als ein Wochenende ohne Spiel des Lieblingsklubs, ohne Theater, Konzert, Kurzreise oder Kneipenabend. All das ist verzichtbar. Es wird darauf ankommen, diese Lücken sinnvoll zu füllen. Gelernt haben wir das nicht; es ist noch nicht einmal in der gedanklichen Reichweite, weil noch alle mit den praktischen Fragen der Corona-Krise und ihren Folgen zu tun haben. Aber wir werden es lernen müssen.

In dieser Situation zeigt sich, wie wichtig ein funktionierender Staat ist. Nur er kann harte Entscheidungen treffen und durchsetzen. Zum Beispiel solche, die Fußballfunktionäre nicht zuwege bringen. Wesentlich für das Gemeinwesen ist ein funktionierendes Gesundheitswesen mit Experten, die ganz praktisch sagen können, was geht und was nicht geht. Der dritte Baustein ist eine Gesellschaft, die in der Lage ist, sich zurückzunehmen. Ob wir das sind, ist derzeit noch nicht zu erkennen. Dieser Test ist nicht bestanden. Schwere Krisen bringen das Schlechte in den Menschen hervor, sagen die Pessimisten, weil jeder sich nur selbst der Nächste ist. Andere sehen die Chance, die in der gemeinsamen Lösung einer großen Herausforderung liegt. Hier ist der große Raum für Rücksicht und Solidarität. Und hier liegt die wesentliche Aufgabe für uns alle. Es geht nur gemeinsam.

So gehen wir in eine augenblicklich ungewisse Zukunft. Vielen Menschen ist ein wenig mulmig. Vielen wird vermutlich das erste Mal in ihrem Leben deutlich, dass sich nicht alle Probleme digital lösen lassen, dass es existenzielle Fragen gibt, auf die Google keine Antwort weiß. Mag sein, dass uns die kommenden Tage wieder klarer machen, worauf es ankommt. Es ist endlich Ruhe und Zeit zum Nachdenken. Was für eine Chance! Deutschland wird am Ende dieser Krise nicht mehr das gleiche Land sein. Wir haben es in der Hand, es zu einem besseren Land zu machen.

Auch Redaktion von Einschränkungen betroffen

Der General-Anzeiger hat in dieser Krise eine wichtige Aufgabe. Wir bemühen uns, Sie jederzeit auf dem aktuellen Stand der Nachrichten zu halten. Unter ga.de und in unserer News-App, die Sie sich kostenlos herunterladen können, finden Sie immer den neuesten Stand der Dinge, Einordnungen und Hintergründe. Die gedruckte Zeitung und das E-Paper bündeln täglich mehrmals das aktuelle Geschehen und geben den nötigen Überblick.

Doch auch die Redaktion ist von Einschränkungen betroffen. Wir leben normalerweise von persönlichen Begegnungen, Kontakten und Gesprächen, die jetzt nur noch in geringerem Umfang möglich sein werden. Auch wir müssen unsere Arbeitsweise verändern, um Rücksicht zu nehmen und soziale Kontakte zu verringern. Unsere digitalen Arbeitsmöglichkeiten helfen uns dabei sehr. Doch auch in der Redaktion arbeiten Eltern, die sich um ihre Kinder kümmern müssen, dort gibt es Menschen, denen geraten wird, lieber von zu Hause zu arbeiten. Rückwirkungen auf Ihren General-Anzeiger lassen sich unter diesen Umständen möglicherweise nicht vermeiden.

Schon der Wegfall beinahe des gesamten Sportprogramms wird sich am kommenden Montag in unserem Nachrichtenangebot niederschlagen. Das wird sich in den kommenden Wochen auch in der Kultur und im Lokalen fortsetzen, denn Berichte über Ereignisse oder Ankündigungen wird es kaum noch geben. Dafür bitten wir Sie um Verständnis.

Die Situation eröffnet uns jedoch die Möglichkeit, andere Themen konzentrierter in den Blick zu nehmen. Sachlich und unaufgeregt werden wir unsere zentrale Aufgabe, Sie in dieser Krise bestmöglich mit Informationen zu versorgen, damit Sie die richtigen Entscheidungen für sich und Ihre Angehörigen treffen können, engagiert und mit der gebotenen Ernsthaftigkeit weiter wahrnehmen.

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