Kommentar Das G20-Treffen und der Syrien-Konflikt - Offenbarungseid

Die Vorstellung ist reizvoll: Bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrienationen nutzen alle Teilnehmer die Gunst der Stunde und finden in intensiven, persönlichen Gesprächen einen operativ und diplomatisch gangbaren Weg, um die Krise in Syrien zumindest zu entschärfen.

Eine "angemessene Reaktion", wie es Bundespräsident Joachim Gauck formuliert, auf die offensichtlichen Gräueltaten des Assad-Regimes.

Doch die real existierende Machtpolitik lässt einen wie auch immer gearteten Weg aus der Krise nicht zu. Barack Obama bleibt massiv unter Zugzwang, sein Gegenspieler Wladimir Putin gefällt sich in der Rolle des Friedensengels, die Chinesen stehen an seiner Seite, der Westen bleibt mit Ausnahme der Franzosen bei seinen Bekenntnissen eher vage.

Ja, die Krise ist extrem kompliziert. Ja, Machtpolitik richtet sich nicht nach Wunschvorstellungen. Ja, mit dem russischen und dem US-Präsidenten stehen sich zwei Männer gegenüber, die auch persönlich nichts miteinander anfangen können.

Das alles dürfte aber nicht in dem Trauerspiel enden, das die mächtigsten Politiker der Welt derzeit der Weltöffentlichkeit vorführen. Das Streben nach angemessenem Handeln der Völkergemeinschaft verkommt zur Farce. Gibt es sie überhaupt, diese vielzitierte Völkergemeinschaft? Nein, es gibt sie derzeit nicht. Es gibt klare Fronten und tiefe Gräben, die eher vom Kalten Krieg denn von verantwortungsvoller Außenpolitik zeugen.

Zudem wurde den Vereinten Nationen samt Sicherheitsrat die Maske vom Gesicht gerissen: Statt einer mächtigen, kraftvollen Organisation, die international akzeptiert verschiedene Interessen bündelt und als Moderator Lösungen anbietet, sehen wir einen lahmen, zahnlosen Tiger, vorgeführt in der Manege der internationalen Eitelkeiten, der Macht- und Wirtschaftsinteressen. Wenn es darauf ankommt, hat der UN-Sicherheitsrat keine Bedeutung mehr. Er ist gelähmt durch das Einstimmigkeitsprinzip und füllt die Rolle einer übergeordneten Instanz nicht aus.

Folgerichtig wird sich US-Präsident Obama nicht mehr um die Zustimmung des Sicherheitsrates kümmern, er wird das tun, was er und seine Berater für richtig halten. Einen Krieg in Syrien kann er nicht wollen, den Einsatz von Bodentruppen schon gar nicht. Andererseits darf der syrische Despot Assad aufgrund der internationalen Tatenlosigkeit nicht das Signal bekommen, seine Taten blieben ungesühnt. Die amerikanische Reaktion liegt irgendwo dazwischen. Der Friedensnobelpreisträger Obama wird militärisch handeln, weil er keine Alternative sieht. Und niemand zeigt ihm Alternativen auf. Selbst ein G20-Treffen hat keinerlei Effekte. Wir erleben wieder einmal den Offenbarungseid der internationalen Diplomatie.

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