Kommentar zur Mietzahlungsaussetzung von Konzernen Das Image ist ruiniert
Meinung | Berlin · Das schnelle Urteil mit Schuldzuweisung und Boykottaufruf gegen Adidas ist bedenklich. Auch Politiker sollten sich damit zurückhalten, solange nicht alle Fakten geklärt sind. Daraus kann sich eine gefährliche Entsolidarisierung der Gesellschaft entwickeln, meint Autor Wolfgang Mulke.
Der Fall Adidas und anderer Unternehmen erregt Besorgnis. Am Sonntag schwappte eine Erregungswelle durch das Land, weil das Unternehmen die Mietzahlung für seine Läden aussetzt. Selbst Prominente, Politiker und eine Ministerin bewerteten die Stundung als schändlich. Das wäre sie auch, wenn der Konzern tatsächlich ohne Rücksicht auf die Vermieter gehandelt hätte. So einfach ist es womöglich nicht, wie die Darstellung von Adidas zeigt. Die großen professionellen Betreiber von Shopping-Centern werden die Stundung verkraften. Die kleinen Vermieter erhalten danach weiter den Mietzins.
Anrüchig ist das Verhalten allemal, zumal der Sportartikelhersteller auf prall gefüllten Kassen sitzt. Und es wird für Adidas vermutlich teurer, als die Mietzahlungen fortzuführen. Viele Konsumenten meiden aus Ärger die Adidas-Produkte künftig. Das Image ist ruiniert. In der Öffentlichkeit bleibt ein fatales Bild des Sportartikelherstellers hängen. Was sollen die vielen Gastronomen und Einzelhändler, Handwerker oder Kinobetreiber denken, die mühevoll mit ihren Vermietern um einen Nachlass oder eine Stundung ringen. Auch auf Seiten der Vermieter steigt der Frust, wird ihnen durch die doch eine ungerechtfertigte Gier unterstellt.
Doch das schnelle Urteil mit Schuldzuweisung und Boykottaufruf ist bedenklich. Auch Politiker sollten sich damit zurückhalten, solange nicht alle Fakten geklärt sind. Daraus kann sich eine gefährliche Entsolidarisierung der Gesellschaft entwickeln. Die Gesellschaft rückt an vielen Stellen eng zusammen. Ausgerechnet die Pflicht zum Abstand macht es möglich. Es wäre wünschenswert, wenn das auch all jene kapieren, die nur ihr eigenes Süppchen kochen wollen. Davon gibt es immer noch zu viele auf allen Ebenen der Gesellschaft.