Kommentar Das neue Abwehrzentrum - Potemkin am Rhein

Man möchte den Bundesinnenminister ja dafür loben, dass es - schon wieder - ein neues Abwehrzentrum gibt. Diesmal heißt es Gemeinsames Extremismus- und Terrorabwehrzentrum (GETZ), so wie 2004 das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) und 2011 das gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus/-terrorismus (GAR) gegründet wurden.

Erste Auffälligkeit: Wer die Namen studiert, wird Überschneidungen feststellen - oder verwirrt sein. Beides zu Recht. Denn selbst die Experten in den beteiligten Häusern streiten, wie denn da nun die Arbeit sinnvoll aufgeteilt, auseinandergehalten oder zusammengeführt werden soll.

Zweite Auffälligkeit: Wo gemeinsam draufsteht, sollte auch gemeinsam drin sein. ist es aber nicht. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich reklamiert für sich, schon im August die Gründung des neuen Zentrums angekündigt zu haben. Das muss er aber so wolkig getan haben, dass zumindest sechs Bundesländer von der Gründung in Köln so überrascht waren, dass sie ihre Teilnahme absagten.

Auch der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, ein CDU-Mann, fehlte. Der improvisierte Zustand des Zentrums legt zusätzlich Zeugnis davon ab, dass da hopplahopp etwas präsentiert werden musste: Potemkin am Rhein. Das kann man deshalb nur einen Fehlstart nennen, was Friedrich gestern natürlich vermied. Er sprach stattdessen etwas kleinlaut von einem "Prozess" und von Debatten selbstverständlich "auf Augenhöhe".

Wer gemeinsam gegen Terror und Extremismus kämpfen will und dann noch nicht mal die Gründungsfeier einvernehmlich hinkriegt, muss sich über Hohn und Spott nicht wundern: "Getz geht´s los", lautet einer der einschlägigen Sprüche.

In der Sache ist gegen das neue Zentrum nicht viel einzuwenden. Außer vielleicht, dass das, was da praktiziert werden soll , eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein müsste, auch unter Sicherheitsbehörden: Zusammenarbeit, Zusammenarbeit und noch mal Zusammenarbeit.

Dass die in der Vergangenheit nicht gut geklappt hat - auch wenn man sich gestern in Köln wieder vor allem wegen guter Zusammenarbeit lobte - hat seinen Grund allerdings nicht nur in der konkreten Unzulänglichkeit der Arbeit einzelner Sicherheitsbehörden. Es hat auch mit amtlichen Denkverboten zu tun.

Kein Politiker von Gewicht wagt sich an die föderalistische Struktur der Sicherheitsbehörden, beispielsweise daran, den Unsinn von 16 Verfassungsschutzämtern zu thematisieren. Und eine Ebene tiefer sieht es noch finsterer aus.

Das deutsche Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten hat historisch seine Erklärung und Begründung, aber es ist selten auf der Welt. Heute ist es schlichtweg überholt. Es wäre an der Zeit, dass es fällt - im Interesse der Sicherheit in diesem Lande.

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