Kommentar Das neue Gutachten zu Bonn/Berlin - Recht und Politik

Das Thema Bonn/Berlin, der Streit um die faire Arbeitsteilung zwischen heutiger und gewesener Bundeshauptstadt ist mit so vielen Emotionen behaftet, dass die Gefahr, missverstanden zu werden, besonders groß ist.

In einem Fall gilt das jedoch nicht: Wer das vom Rhein-Sieg-Kreis, dem Kreis Ahrweiler und der Stadt Bonn in Auftrag gegebene Rechtsgutachten zum Berlin/Bonn-Gesetz liest, kann es nicht missverstehen. Es sagt kurz gefasst dreierlei: 1. Die Verteilung der ministeriellen Arbeitsplätze zwischen Berlin und Bonn ist rechtswidrig.

2. Aber Bonn kann sich dafür nichts kaufen, weil die Stadt nicht klageberechtigt ist. 3. Wenn jemanden die Rechtswidrigkeit stört, kann er das Gesetz ändern. Das heißt noch kürzer: Die Region hat Recht, aber es nützt ihr nichts. Oder wie es im rheinischen Grundgesetz heißt: Et is, wie et is.

In vollem Ernst bedeutet das für die, die in der Region immer noch glauben, man könne dem Thema mit juristischen Argumenten oder Verfahren beikommen: Sie haben sich getäuscht. Das ist schwer einzusehen, gewiss, und noch schwerer umzusetzen. Denn natürlich muss in einem Rechtsstaat der Grundsatz gelten, dass Gesetze einzuhalten sind.

Und im Paragrafen 4 des Berlin/Bonn-Gesetzes steht nun einmal, dass "insgesamt der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in der Bundesstadt Bonn erhalten bleibt." Das ist mindestens seit Beginn dieses Jahrzehnts nicht mehr der Fall, die Quote liegt jetzt bei 45 Prozent. Aber, das sagt der Gutachter auch völlig schnörkellos: Einen Bestandsschutz gibt es nicht.

Konsequenz eins, die man allerdings auch ohne Gutachten hätte ziehen können: Mit juristischen Mitteln ist dem Thema nicht mehr beizukommen. Mehr noch: Provoziert Bonn die juristische Debatte, überstrapaziert die Region sie, wird es den Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen ein Leichtes sein, das Gesetz zu ändern. Wer glaubt, im Berliner Plenum habe Bonn noch eine Mehrheit, irrt.

Also muss es um eine politische Doppelstrategie gehen: Es ist richtig, politisch das Bewusstsein vom Rechtsbruch aufrechtzuerhalten, um so zumindest ein schlechtes Gewissen bei den Entscheidern in Berlin zu schaffen. Es ist aber viel wichtiger, mit einem Plan B in die Offensive zu gehen. Einem Plan, der Bonn, mehr als zwei Jahrzehnte nach der Einheit, die Funktion als Bundesstadt dauerhaft sichert.

Es geht um Arbeitsplätze in der Region, nicht nur in Ministerien, es geht um dauerhafte Zukunftskonzepte. Und die sind ja im Gesetz selbst angelegt: Die Themenbereiche, die in Bonn angesiedelt sind, müssen konsequent erweitert werden: von der Entwicklungshilfe und der Internationalität bis hin zu Bildung und Wissenschaft. Das dauerhaft zu sichern, ist für die Region viel wichtiger als die Präsenz von Herrn Bundesminister X an einem Montag am Rhein.

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