Kommentar Das politische Personal der Parteien - Auf Abruf

Der bundesdeutsche Politikbetrieb steht an einer Wendemarke, nur möchte er davor am liebsten die Augen verschließen. An der Spitze (fast) aller Parteien finden sich Politikerinnen oder Politiker auf Abruf.

Am deutlichsten ist das bei der CDU. Angela Merkel steht zwar im Zenit ihrer Macht, aber wenn sie eines nicht fernen Tages aufhört, wird das ganze Dilemma der CDU überdeutlich: Denn hinter Merkel gähnt ein großes schwarzes Loch. Durch die unmögliche Krisenstrategie des Verteidigungsministers ist dieses Loch noch schwärzer geworden.

Denn Thomas de Maizière war quasi Merkels letzte Hoffnung. Ein Minister aber, der sein Haus so wenig im Griff hat wie de Maizière, kann seine Hoffnungen auf Höheres begraben. Zunächst will er in der Drohnen-Affäre die Reißleine gezogen haben, dann waren es seine Staatssekretäre, deren Entscheidung er Tage später erst erfuhr (und billigte), und jetzt soll tatsächlich der Minister regelmäßig über den Stand von Rüstungsprojekten unterrichtet werden. Welch Reform!

De Maizières Verhalten bestätigt wieder einmal die Regel, dass nicht der eigentliche Skandal den Minister rücktrittsfällig macht, sondern die Art, in der er den Skandal bearbeitet. Wer seine Staatssekretäre zumindest indirekt für den Vorgang verantwortlich macht, muss sie entlassen. Doch wenn die politische Verantwortung eines Ministers ihren Sinn hat, müsste eigentlich er selbst gehen. Ohne de Maizière hat Merkel keine Getreuen mehr mit Zukunftsperspektive. Daran ist sie selbst Schuld. Alle anderen Hoffnungen hat sie klein gehalten oder klein gemacht. Friedrich Merz, Roland Koch, Norbert Röttgen - alle weg.

Bei der SPD sieht es nur dem Anschein nach besser aus. Parteichef Sigmar Gabriel hat sichtbar Gefallen an der privaten Vaterrolle gefunden, also durfte Peer Steinbrück ran, weil Frank-Walter Steinmeier dem Ruhestand entgegenstrebt. Und der 66-jährige Steinbrück weiß, dass es seine letzte Chance ist.

In der FDP regiert Philipp Rösler bis zur nächsten Wahlniederlage vor sich hin und auch nur, weil dem Altliberalen Rainer Brüderle der Mumm fehlte, ihn aus dem Vorsitz zu jagen. Und die angeblich so jungen Grünen sind längst in die Jahre gekommen, Jürgen Trittin, der Altvater, hat seinen letzten großen Wahlkampfauftritt. CSU-Seehofer auch.

Apropos Wahlkampf: Wenn solche Auseinandersetzungen kein Thema haben,wenn sich CDU und SPD nur noch in Nuancen unterscheiden, kommen Personen zum Zug. Dann wird die Drohnenaffäre zur Ministeraffäre, dann wird das Weingesäusel eines alternden Politikers zum Sexskandal. Deutschland im Jahre 2013: Der Politikbetrieb stagniert, das Spitzenpersonal ist müde - doch von Wende will niemand etwas wissen.

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