Kommentar Das Urteil gegen Pussy Riot - Putinissimus

Putins Ruf, und das ist heute leider gleichzusetzen mit Russlands Ruf, ist ruiniert. Endgültig. So sieht also das milde Urteil aus, das dieser "lupenreine Demokrat" am Rande der Olympischen Spiele in London gefordert hatte. Was zunächst wie Großmut daherkam, erweist sich nun als blanker Zynismus: Drei junge Frauen, zwei von ihnen haben kleine Kinder, müssen sage und schreibe für zwei Jahre ins Straflager, weil sie einige Sekunden lang mit bunten Sturmmasken in der Christ-Erlöser-Kathedrale getanzt und "Gottesmutter, verjage Putin!" gerufen hatten.

Das Regime hat der ganzen Welt seine Fratze gezeigt, die vor dem Hintergrund jener Rehaugen, mit denen Pussy-Riot-Aktivistin Nadja auch gestern gekonnt trotzig durch den Glaskäfig blickte, umso hässlicher wirkt. Je nach Standpunkt kann man von einem riesigen außenpolitischen PR-Desaster sprechen - oder von einer konsequenten Fortsetzung und sogar Stärkung dessen, was Kritiker als Putinismus bezeichnen.

Der Prozess fügt sich ein in eine Reihe von politischen Schauprozessen, nur dass diesmal alles noch eine Spur absurder war. Basis für die Anklageschrift war Kirchenrecht aus dem siebten Jahrhundert, das das Tanzen in der Kirche untersagt. Den Frauen wurde ernsthaft unterstellt, ihre "widernatürlichen" Schreie und Bewegungen seien Teufelszeug und ein Angriff auf das Christentum.

Es roch durchgehend nach Scheiterhaufen, obwohl Russland ausweislich seiner Verfassung ein säkularer Staat ist. Geleitet wurde das Verfahren von einer unerfahrenen und zugleich unerbittlichen Richterin, die wichtige Zeugen der Verteidigung ablehnte.

Zu Putins Russland passt das alles deshalb, weil er und der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill I., schon vor einiger Zeit ein Bündnis eingegangen sind. Genau das war und ist ja auch zentraler Kritikpunkt von Pussy Riot, weshalb namhafte Vertreter der Kirche von Anfang an eine unbarmherzige Strafe für die Frauen forderten. Unvergessen ist, wie Kyrill I. Putins Regentschaft im Wahlkampf als "Wunder Gottes" lobte und sich so für all die Reichtümer bedankte, die er anhäufen konnte.

Der Patriarch soll über ein Privatvermögen von vier Milliarden Dollar verfügen und lässt sich gerne im Maybach zu einer seiner Luxus-Residenzen kutschieren. Einen solchen Kirchenführer als "scheinheilig" zu bezeichnen, wäre eine schmerzhafte Untertreibung.

Die politische Bilanz Putins nach dem Prozess fällt wohl leider positiv aus: Das Kirche-Kreml-Bündnis wurde weiter gefestigt; die Opposition wird im Volk nun mit etwas überdrehten Punkerinnen gleichgesetzt, die - was in Russland ein weiteres Schimpfwort ist - auch noch Feministinnen sind; und dem Ausland wurde einmal mehr gezeigt, dass sich Putin nicht hineinregieren lässt.

Ist der Ruf erst ruiniert ...

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