Kommentar Debatte um Umweltpolitik - Strom-Schnelle

Die Prinzipien der Umweltpolitik haben wie kaum ein anderes Politikfeld mehrere umwälzende Prozesse erlebt. Erst wollte die rot-grüne Regierung der Atomkraftnutzung den Garaus machen.

Diese Entwicklung wurde durch die christ-liberale Regierung in Berlin kurzfristig konterkariert, bevor Tsunami und Erdbeben in Fukushima den politischen Verantwortlichen die Entscheidung abnahmen. Angela Merkel reagierte am schnellsten. Die Grundsatzdebatte über die Zukunft der Kernkraft wurde beerdigt. Nun geht es darum, der Bevölkerung vollständige Versorgungssicherheit zu geben, sobald der letzte Meiler abgeschaltet ist.

Es geht um die pragmatische Umsetzung einer Politik, die lernen muss, mit den so genannten alternativen Energien auszukommen. Dies ist damit die Stunde der Pragmatiker. Insoweit gewinnt der Ministerwechsel vor 100 Tagen hin zu Peter Altmaier eine grundsätzliche strategische Bedeutung. Merkel hatte sich - ungeachtet ihres fragwürdigen Stils bei der Entlassung Norbert Röttgens - gegen dauerhafte Grundsatzdebatten und für eine Politik des Anpackens entschieden. Und man kann gegen den lebensfrohen Saarländer sagen, was man will: Diesen Anpacker-Typus vertritt er bestens.

"Das Hauptproblem der Energiewende ist, dass jeder sie nur aus dem Blickwinkel seines Interesses sieht. Egal ob Wind, Kohle, Sonne oder Gas." So eine der jüngeren Twitter-Klagen des Ministers. Er spricht damit direkt das fein gesponnene Netz der Lobbyverbände unterschiedlichster Interessen an, das sich in die Entscheidungsfindung einmischt.

Im Grunde wäre schon viel gewonnen, wenn die Bundesregierung sich darüber klar wird, dass die Stromkosten nicht aus dem Ruder laufen dürfen. Altmaier hatte sich öffentlich an einer solchen Debatte beteiligt und von fünf Prozent Strom-Mehrkosten gesprochen. Das war nicht besonders klug, weil er den Druck von allen Beteiligten nahm, das Sparen als durchgängiges Arbeitsprinzip bei jedem der Netzversorgungsschritte durchzuhalten.

Es wird natürlich zu handwerklichen Fehlern kommen. Die gestern im Kabinett beschlossene Haftungsregelung bei Verzögerungen von Netzanschlüssen geht in eine falsche Richtung, weil sie die Last ungerecht gewichtet: Neue Verzögerungen und die damit verbundenen Schadensersatzforderungen werden auf die Kunden abgewälzt. Die Linke kritisiert seit langem: "Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert".

Wenn dieser Satz stimmt, dann vermindert sich die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende beträchtlich. Ein weiteres Problem ist die Solarförderung. Altmaier hat hier eine nationale Förderungs-Grenze gezogen, die aber ins Leere geht, weil die Konkurrenz groß ist. Und billiger. Vor der deutschen Umweltpolitik liegt also weiterhin ein Problemberg.

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