Kommentar Debatte zur rituellen Beschneidung - Kein Kommentar

Diesem Kommentar fehlt - ausnahmsweise - die Kommentarthese. Er will sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht festlegen, ob rituelle Beschneidungen von Jungen gesetzlich erlaubt werden sollten oder nicht.

Er will allein darauf hinweisen, dass es offenbar mehr Zeit braucht, um alle Argumente dafür und dagegen zu sammeln, um schließlich eine vernünftige Entscheidung treffen zu können. Die Ruckzuck-Resolution des Bundestages jedenfalls, das lässt sich jetzt schon sagen, war so unangemessen wie die Mahnung der Kanzlerin nach dem Kölner Urteil, Deutschland dürfe keine "Komiker-Nation" werden. Die Abwägung zwischen der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit einerseits und dem ebenso in der Verfassung festgeschriebenen Recht auf körperliche Unversehrtheit der betroffenen Kinder andererseits ist alles, nur nicht komisch. Belassen wir es also einstweilen bei folgender Analyse.

Der Islam und das Judentum sowieso gehören zu Deutschland, wie inzwischen zwei Bundespräsidenten mit unterschiedlichen Formulierungen treffend festgestellt haben. Diese Religionen verdienen (nicht nur, aber auch deswegen) unseren Respekt. Und das gilt grundsätzlich auch für die mit diesen Religionen verbundenen Riten, zumal dann, wenn sie einer jahrtausendealten Tradition entstammen. Einzelne dieser Riten nach jahrzehntelanger Duldung in Deutschland plötzlich zur Straftat zu erklären, muss den Anhängern dieser Religionen wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen. Die zum Teil heftigen Reaktionen aus dem Aus- und Inland auf das Kölner Urteil sind daher ebenso nachvollziehbar wie der Reflex der Bundesregierung, Schadensbegrenzung betreiben zu wollen. Besonders großen Schaden richten jene an, die die Beschneidung von Jungen mit der Genitalverstümmelung von Mädchen gleichsetzen. Das ist Unsinn. Im Gegenteil diskutieren Mediziner, inwieweit die Beschneidung von Jungen sogar gesundheitliche Vorteile mit sich bringen könnte.

Hier setzen freilich die Kritiker an und verweisen auf jene Kinderärzte, die vor unmittelbaren Komplikationen nach einem solchen Eingriff warnen und sogar die Gefahr von Langzeitschäden sehen. Kinder könnten Traumata entwickeln, unter denen sie ein Leben lang litten, heißt es. Zudem sei die Beschneidung nicht medizinisch, sondern allein religiös motiviert. Rechtfertige es das, Kleinkindern Schmerzen zuzufügen? Müsse dem Erziehungsrecht der Eltern hier nicht eine Grenze aufgezeigt werden?

Es sind fundamentale Verfassungs-, ja Menschenrechte, die hier aufeinanderprallen. Keine Religion steht in Deutschland über dem Grundgesetz. Die Frage ist: Was ist innerhalb (!) der verfassungsrechtlichen Grenzen erlaubt bzw. geboten, was nicht? Wünschenswert wäre eine ausgeruhte Debatte frei von ideologischer Verbohrtheit - auf beiden Seiten.

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