Kommentar Der doppelte Abiturjahrgang - Aufgabe bewältigt

Was gab es nicht für Befürchtungen? Die Schulen würden die Herausforderung des doppelten Abiturjahrgangs mit all den Klausuren und mündlichen Prüfungen nicht bewältigen. Die Lehrer würden die Korrekturen nicht schaffen, und die Schüler in dem prophezeiten Chaos ihre Leistung nicht bringen. Kaum etwas hat sich bewahrheitet.

Stattdessen gibt es viel Lob von den Vertretern der Lehrer, Schüler und Eltern. Und das, obwohl diese nun nicht für Lobeshymnen bekannt sind, sondern - oft zu Recht - den Finger in die Wunden legen, wenn es um Schulpolitik geht. Die Gymnasien haben sich auf ihre Herausforderung gut vorbereitet, sich im Verlauf der Prüfungen mächtig ins Zeug gelegt und dürfen stolz auf ihre Leistung sein, alles gut bewältigt zu haben.

Wenn das Schulministerium nun auswertet, welche Noten die Schüler aus den beiden Jahrgängen erreicht haben und analysiert, ob eventuell der G8-Jahrgang sogar im Schnitt eine bessere Leistung erzielt hat, darf nicht vergessen werden, dass beide Jahrgänge unterschiedliche Voraussetzungen hatten. Schüler, die von Real- oder Hauptschule zum Gymnasium wechselten, wurden ins G9 eingegliedert.

Das muss nicht per se zu einer schlechteren Durchschnittsnote führen. Das Beispiel Siebengebirgsgymnasium, in das zur Oberstufe 25 Realschüler gewechselt waren, zeigt aber, dass es dort so war. Und noch etwas: Wenn Schülerinnen aus G8-Jahrgängen berichten, dass ihnen am Ende der Mittelstufe und in der Oberstufe viele Jungs abhanden gekommen seien, weil sich diese gerade in der Pubertät beim Lernen schwerer tun, muss das ein Alarmzeichen dafür sein, wirklich noch einmal die Lehrpläne zu überprüfen.

Die Forderung von Eltern nach weniger Breite und mehr Tiefe in den Inhalten, um - auch in der Vorbereitung auf Studium und Beruf - zu lernen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, hört sich sehr plausibel an.

Der erste G8-Jahrgang hat das Ziel erreicht, doch nun folgt die echte Nagelprobe. Ob die Schulzeitverkürzung sinnvoll war, wird sich daran ermessen, ob die heutige Abiturientengeneration, aber auch jene in den nächsten Jahren, die Perspektive auf einen schnellen Studien- oder Berufseinstieg haben werden.

Ziel von G8 war es, schulische Voraussetzungen zu schaffen, um junge Menschen ähnlich rasch wie in vergleichbaren Industriestaaten zu Studien- und Berufsabschluss zu führen. Wenn die Karriere hakt, weil die Beschleunigung in der Schule zur Notwendigkeit einer Entschleunigung nach der Reifeprüfung führt oder weil es an Studienplätzen mangelt, dann war die Schulzeitverkürzung nicht sinnvoll.

Eine Hoffnung bleibt: Das befürchtete Chaos in den Schulen ist ausgeblieben. Vielleicht wird es ja auch in den Hochschulen ausbleiben, vielleicht werden die zusätzlichen Studienplätze tatsächlich ausreichen.

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