Kommentar zur Einzelhandels-Umfrage Der Einzelhandel ist noch ausbaufähig

Meinung | Bonn/Rhein-Sieg-Kreis · Dass Bonn als Oberzentrum bei den Konsumenten aus dem regionalen Umfeld immer mehr an Bedeutung verliert, ist nicht gut. Auch Sankt Augustin und Bad Honnef müssen sich Gedanken über die Einzelhandelssituation machen. Es gibt verschiedene Gründe für diese Entwicklung, meint unser Autor.

Viele Kunden, aber wenige aus dem Rhein-Sieg-Kreis: Der Einzelhandel in Bonn wird zum Sorgenkind.

Viele Kunden, aber wenige aus dem Rhein-Sieg-Kreis: Der Einzelhandel in Bonn wird zum Sorgenkind.

Foto: Meike Böschemeyer

Der Einzelhandel im Rhein-Sieg-Kreis kommt bei den Menschen weitgehend gut an. Und Siegburg hat nach wie vor Zugkraft für Kunden in der Region. Das sind gute Nachrichten. Schlecht für die Region ist indes, dass Bonn als Oberzentrum bei den Konsumenten aus dem regionalen Umfeld immer mehr an Bedeutung verliert.

Es wäre zu einfach, diesen Trend nur auf die Situation des Autoverkehrs in der Bundesstadt zurückzuführen. Mindestens genauso schwer wiegt die mangelhafte Zuverlässigkeit von Bussen und Bahnen. Und teuer ist die Fahrt noch dazu. Wenn ich für eine Bahnfahrt von sechs Stationen von Hangelar nach Bonn zu zweit 16 Euro hin und zurück zahle – demnächst 17,10 Euro – dann überlege ich mir sehr genau, ob ich zum Shoppen nach Bonn fahre. Und die Radwegeverbindungen sind auch nicht besonders attraktiv. In dieser Beziehung setzt Bonn die falschen Prioritäten, wenn sie ihre Energie auf bereits bestehende gute Radwege in der Beueler Rheinaue oder am Bonner Rheinufer konzentriert. Aber auch der Angebotsmix dürfte besser werden. Viele inhabergeführte Läden sind von Ketten verdrängt worden. Das Alleinstellungsmerkmal Bonns ist ausbaufähig.

Die Pandemie hat das Kaufverhalten der Menschen maßgeblich beeinflusst. Die Region hat davon profitiert, weil in dieser Zeit den Bürgerinnen und Bürgern bewusst geworden ist, wie gut die Infrastruktur ihrer unmittelbaren Nähe ist. Überraschend ist, dass eine so hübsche Einkaufsstadt wie Bad Honnef anscheinend wenig Kunden von außerhalb anzieht. Dass Sankt Augustin Kundenströme vor allem an Siegburg abgibt, lässt sich mit den immensen Leerständen im Huma und im Gewerbegebiet erklären. Da besteht dringender Handlungsbedarf.

Gleichzeitig ist der Anteil des Onlinehandels logischerweise in die Höhe geschossen. Darauf muss sich der Einzelhandel vor Ort einstellen. Die großen Ketten tun das schon: Wenn ich sehen will, ob eine bestimmte Ware beim Elektro- oder Baumarkt um die Ecke vorhanden ist, kann ich das ganz bequem vom Smartphone aus überprüfen und spare mir unnötige Fahrten. Die kleineren Geschäfte müssen sich das zum Vorbild nehmen, um Kundenzufriedenheit zu erreichen.

Ein weiterer Aspekt dürfte auch eine Rolle dafür spielen, dass insbesondere die ältere Kundschaft Bonn den Rücken zukehrt: Die Forsa-Umfrage ergab auch, dass die Menschen Bonn als sehr schmutzig empfinden. Der Zustand des Bahnhofsvorplatzes rund um die beiden neuen Einkaufszentren ist erschreckend ungepflegt. Die Mülleimer quellen insbesondere an den frequenzstarken Tagen über vor Abfall. Siegburg zeigt, wie es gehen kann. Der Marktplatz dort ist überwiegend in einem tadellosen Zustand. So macht es Spaß, sich in einem der Cafés niederzulassen.

Ein Hoffnungsschimmer für Bonn: Die Bundesstadt ist vor allem bei den Jüngeren, den 16- bis 29-Jährigen, attraktiver geworden. Ihr Anteil an den Kundenströmen aus dem Umfeld nach Bonn hat sich von zehn Prozent vor der Pandemie auf 34 Prozent mehr als verdreifacht. Das mag auch damit zusammenhängen, dass junge Leute nach Zeiten der Einschränkung ihre wiedergewonnene Freiheit stärker auskosten. Das ist eine Chance für die Bonner Geschäftsleute. Sie müssen sie nur nutzen.

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