Kommentar Der Euro und die Konjunktur - Langer Atem

Schön wär's, wenn man nur in die Glaskugel schauen müsste. Der Nebel über der Zukunft würde sich lichten und das Hoffen und Bangen angesichts der konjunkturellen Entwicklung hätten ein Ende.

Es ist eine quälende Vorstellung, dass die mühselige, zermürbende Suche nach einem Weg aus der Euro-Schuldenkrise noch viele Jahre dauern wird. Und dass sie möglicherweise nicht erfolgreich endet, sondern scheitert.

Es bedarf allerdings nicht der Glaskugel, um zu wissen, dass die Konjunktur in Deutschland und die Euro-Krise unmittelbar zusammenhängen. Die Rezession in einigen europäischen Krisenstaaten wirkt sich nun auch auf die Wirtschaftsleistung hierzulande aus.

Noch hält sich die deutsche Konjunktur wacker. Nur: Niemand kann sagen, in welche Richtung das Wachstum in den nächsten Monaten gehen wird, ob nach oben, seitwärts oder sogar abwärts. Alles ist drin, nichts ist unmöglich.

Dem aktuellen pessimistischen Grundrauschen lassen sich aber auch positive Tatsachen entgegenstellen. Die Aktienkurse haben sich in diesem Jahr wesentlich besser als 2011 entwickelt. Die Inflationsgefahr ist nicht gebannt, aber die Preisentwicklung zeigt sich stabil. Anleger investieren wieder vermehrt in den Euro-Raum, der Wechselkurs der Einheitswährung zum US-Dollar hält sich ebenso wie zum Yen.

Was eben damit zu tun hat, dass auch die US-Wirtschaft und die Konjunktur in Japan schwächeln. Die Billionen und Aberbillionen an Kapital, die weltweit im Umlauf sind, suchen einen sicheren Hafen, der Gewinn verspricht. Noch hat Europa so hohe Potenziale, von technologischem Know-how bis zu politischer und sozialer Stabilität, dass es für Anleger sehr attraktiv bleibt.

Alles hängt davon ab, ob die Investoren dauerhaft Vertrauen in die europäische Politik haben, dass sie die Schuldenkrise mit allen Mitteln lösen will. Dazu gehört die gemeinsame Haftung für die Staatsschulden ebenso wie die Umsetzung der notwendigen Reformen. Deutschland ist der Beweis, dass sich Reformen wie die Hartz-Gesetze erst nach Jahren positiv auswirken.

Einen langen Atem müssen nun alle Euro-Staaten beweisen, es darf nicht zum Rückdrehen von Umbaumaßnahmen kommen, wie es jetzt in Frankreich nach dem Regierungswechsel geschieht. Dass die Anleihekäufer Spanien und Italien immer noch nicht mit niedrigeren Zinsen belohnen, hat weniger mit deren mangelndem Reformeifer zu tun. Der Grund liegt im Misstrauen, die nächste Regierung könnte alles wieder umwerfen.

Die Glaskugel wünschen sich auch diejenigen, die Griechenland am liebsten aus der Euro-Zone werfen würden. Da dies katastrophale Folgen haben könnte, will die Bundesregierung diesen Schritt nicht wagen. Denn es könnte sein, dass die Rezession dann schlimmer als 2009 ausfällt.

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