Kommentar Der Fiskalpakt - Die Billionen-Frage

Schaufenster-Dekoration" nennt man in Brüssel die Billionen-Frage um die Zukunft der beiden Rettungsfonds. Es gehe schließlich nur darum, der Welt und den Finanzmärkten zu zeigen, was man an Geld zur Unterstützung überschuldeter Staaten zur Verfügung habe, auch wenn man diese astronomische Summe nie wirklich brauchen werde.

So viel Optimismus speist sich keineswegs aus purer Naivität, die das Risiko der Griechenland-Darlehen, deren Rückzahlung zumindest zweifelhaft ist, nur allzu gerne übersieht. Tatsächlich steckt hinter solchen Äußerungen und der Bereitschaft, die eigene Krisenhilfe bis zu dieser Schallgrenze aufzustocken, nämlich die Gewissheit, dass sich die Lage seit dem Ausbruch der Krise völlig verändert hat.

Die EU machte in den letzten Monaten und Jahren mit ihrem Versprechen, die Finanzmärkte wieder in den Griff zu bekommen, ernst. Seit Jahresanfang arbeiten die drei großen Aufsichtsbehörden für Aktienhandel, Banken und Versicherungen. Den Ratingagenturen schiebt man demnächst Riegel vor, die riskanten Hedge-Fonds wird man ebenfalls noch vor der Sommerpause mit Auflagen überziehen. Dazu kommt der Fiskalpakt, der Überschuldung schon im Keim ersticken soll.

Vor diesem Hintergrund wird die Krisenbewältigung zum letzten großen Thema, weil die Prävention längst greift. Oder um es anders zu sagen: Im Moment rechnet niemand ernsthaft damit, dass die Gelder des bisherigen EFSF-Rettungsschirms und des neuen ESM-Krisenmechanismus überhaupt angetastet werden müssen. Nicht einmal von Italien oder Spanien.

Trotzdem macht der ganz große Schirm Sinn, vor allem wenn man sich an dem Kriterium der Glaubwürdigkeit messen lassen muss. Die hat nämlich durch das ungeschickte oder strategische Agieren der Staats- und Regierungschefs gewaltigen Schaden erlitten. Wer zig Mal vor den Bundestag treten und um Zustimmung für eine immer noch größere Haftung bitten muss, sollte mit Vorwürfen rechnen.

Dass Europa sich nun mit allen nur erdenklichen Tricks sicherer rechnet, als es möglicherweise ist, nimmt dem wichtigen Signal nicht seine große Bedeutung. Um die Krise aber wirklich auszumerzen, braucht es zugleich Wirtschaftshilfe für die rückständigen Regionen. Das wird Europas nächste Billionen-Frage: Denn genau so viele Euro braucht man für den nächsten EU-Etat 2014 bis 2020, um die gewaltigen Aufgaben stemmen zu können. Die Kombination der beiden Nothilfe-Fonds wird dann stehen, weil die EU-Mitgliedstaaten gar keine andere Wahl haben. Auch wenn manch ein Finanzminister in diesen Tagen der Entscheidung sicherlich ein Stoßgebet zum Himmel schicken dürfte, damit der Fall, den viele befürchten, aber jeder weit von sich weist, niemals eintreten möge.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Lage ist ernst
Kommentar zur islamistischen Bedrohung Die Lage ist ernst
Euphorie im Anflug
DFB-Team überzeugt gegen Frankreich Euphorie im Anflug
Zum Thema
Kosten über Sicherheit
Kommentar zum Einsturz der Brücke in Baltimore Kosten über Sicherheit
DFB-Team mit neuem Spirit
Kommentar zur Fußball-Nationalmannschaft DFB-Team mit neuem Spirit
Assange und das Recht
Kommentar zur aufgeschobenen Auslieferung Assange und das Recht
Aus dem Ressort