Kommentar Der NSU-Skandal - Ein verschenktes Jahr

Doch, man muss es so sagen: Die Art, in der die Bundesregierung, die sie tragenden Parteien und die ihr angehörenden Innenminister des Bundes und der Länder den NSU-Skandal behandeln, fügt dem Skandal einen zweiten hinzu.

Wohin man hört, hört man Klagen: Wären nicht zehn Türken und Griechen Opfer der rechtsradikalen Täter geworden, sondern Menschen aus "den USA, Frankreich oder England, dann wäre im Land die Hölle losgewesen", sagt die Angehörige eines Opfers. Und sie hat Recht.

Hätte sich ein SPD-Mann im Amt des Bundesinnenministers eine derartige Untätigkeit geleistet wie der Amtsinhaber aus der CSU, er wäre nicht nur in der eigenen Partei verrissen worden. Juden in Deutschland rügen zu Recht die schleppende Aufarbeitung des Skandals. Die Ombudsfrau der Opfer spricht von einem quälenden Verfahren.

Obleute des Untersuchungsausschusses des Bundestages beklagen die Behinderung ihrer Arbeit, aber ein ehemaliger Vizepräsident des Verfassungsschutzes, der heute Staatssekretär im Bundesinnenministerium sein darf, verbittet sich Kritik an der Arbeit der Sicherheitsbehörden! Es gibt vier Untersuchungsausschüsse und vier Rücktritte von Verfassungsschutzpräsidenten, aber es gibt kein Signal gegen den Rechtsradikalimus.

Der Bundesinnenminister, ohnehin nicht gern in seinem Amt, arbeitet vor sich hin, als ginge es um eine Routineangelegenheit. Wenn der Begriff "Chefsache" in den vergangenen Jahren in der Inneren Sicherheit angebracht war, dann jetzt. Aber der Chef schweigt, moderiert ein bißchen, erzählt von Kommunikationspannen, die man abstellen müsse, und vom individuellen Versagen einzelner Mitarbeiter, etwa, wenn sie brisante Akten schreddern, statt sie zu nutzen.

Zugegeben: Es gibt jetzt ein gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus in Köln und Meckenheim, es gibt eine Neonazi-Datei, aber es gibt immer noch keine Strukturdebatte über die Sicherheitsbehörden. Das Land ist weit entfernt davon, dem Kampf gegen den braunen Sumpf Priorität zu geben. Stattdessen spricht der Bundesinnenminister von einer eigentlich phantastischen Arbeit der Sicherheitsbehörden, so als sei der NSU-Skandal nur eine kleine Panne, eine kleine Ausnahme.

Natürlich kann man den Kampf gegen den braunen Terror nicht Polizisten und Verfassungsschützern allein überlassen, die individuell sicher versuchen, eine vernünftige Arbeit zu machen. Das braucht eben politische Führung. Und keinen Bundesinnenminister, der verharmlost, statt führt. Längst gibt es Landstriche, gerade im Osten, da gehören die Neonazis zum täglichen Leben, nicht zum Untergrund. Am Freitag sagt der NRW-Innenminister, Neonazis horteten Waffen zum Kampf gegen Polizisten. Das alles sind Alarmzeichen. Ein Jahr danach.

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