Kommentar Der Papst in Lateinamerika - Zurückhaltende Auftritte

Nein, das ist kein Heimspiel für den höchsten Bischof der katholischen Kirche. Auch in Teilen Lateinamerikas verliert die katholische Kirche an Prägekraft. Dass die Gläubigen in Kuba und zuvor in Mexiko Benedikt XVI. umjubelt haben, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Kirche es in beiden Ländern sogar ausgemacht schwer hat.

Kubas von Touristen geliebte Buena-Vista-Romantik kaschiert die Wirklichkeit eines repressiven Unrechtsregimes, auch wenn sich Präsident Raúl Castro aus durchsichtigen Motiven um die Gunst jener Kirche bemüht, die seine Staatspartei dort Jahrzehnte lang und recht erfolgreich bekämpft hat. In Mexiko verliert die Kirche erheblich an Zustimmung, und nach den nächsten Wahlen könnten für sie wieder harte Zeiten anbrechen, falls die linke und radikal-säkulare "Partei der Institutionellen Revolution" gewinnt.

Ganz abgesehen von dem Verlust an Glaubwürdigkeit durch den Skandal um die "Legionäre Christi": ein Ordensgründer, der ein Doppelleben führte, sexueller Missbrauch hinter ultrakonservativer Fassade und eine Kirchenleitung, die offenbar nicht hinsah.

Der Papst reagiert auf diese Herausforderungen vorsichtig, ja defensiv. Mit Opfern des Missbrauchs des Legionäre-Gründers traf er in Mexiko nicht zusammen. Seine Äußerungen zum mexikanischen Drogenkrieg waren so gehalten, dass sie von der Regierung weder als Bestätigung noch als Kritik gewertet werden können.

Seine Bemerkungen über das Nicht-Zeitgemäße des Marxismus auf der Reise nach Kuba werden die dortige Führung kaum erfreut haben, aber seine Kritik am Castro-Regime blieb bislang verhalten - erst recht, wenn man sie mit den Appellen seines Vorgängers Johannes Paul II. 14 Jahre zuvor vergleicht.

Für solche Zurückhaltung gibt es in einigen Fällen gute Gründe. Dabei zählt es nicht so sehr, dass es sich um einen Pastoralbesuch handelt. Johannes Paul II. hatte ja gezeigt, was sich aus Seelsorge-Einsätzen politisch machen lässt. Benedikt XVI. hat aber alles vermieden, was - in Mexiko - der kirchenfeindlichen Linken Wähler hätte zutreiben oder - in Kuba - die diskreten Verhandlungen von Staat und Kirche über das Schicksal von Dissidenten hätte gefährden können.

In Kuba geht diese Rücksichtnahme sehr weit. Da wurde zumindest aufs offizielle Programm kein Treffen mit den "Weißen Damen" gesetzt, jenen Frauen also, die für die Freilassung politischer Gefangener eintreten. Vor der Papstvisite ließ der Erzbischof von Havanna eine von Dissidenten besetzte Kirche von der Polizei des Regimes räumen. Da kann man schon fragen, ob die katholische Kirche nicht allzu sehr vermeintlichen Sachzwängen nachgibt. Und man muss hoffen, dass diese Kirche, die auf ehrlichen Reformwillen der kubanischen Führung setzt, nicht enttäuscht wird.

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