Kommentar Deutsche Rüstungsexporte - Sensible Ware

Die Losung: streng geheim. Der Bundessicherheitsrat tagt. Türen zu. Nichts soll nach außen dringen, wenn jene Ministerrunde unter Führung der Kanzlerin darüber berät, ob die Bundesregierung der Ausfuhr deutscher Rüstungsgüter zustimmt. Oder eben nicht.

Über Kriterien, nach denen die Mitglieder des trauten Zirkels ihre Daumen heben oder senken, schweigt sich die Bundesregierung regelmäßig aus.

Ein Ja für den einen strategischen Partner kann den anderen strategischen Partner düpieren oder verprellen. Was für Indien gut ist, soll Pakistan tunlichst nicht erfahren. Und ein Rüstungsexport nach Israel muss nicht jedes Mal das Interesse der technologieaffinen Machthaber in China wecken.

Die Welt der Außenpolitik ist kompliziert. Die Welt des Außenhandels nicht minder. Ein Krisenbogen bedeutet meist mehrere kriselnde Staaten. Dies wirkt sich auch darauf aus, wem deutsche Waffenschmieden ihre Hightech-Produkte liefern dürfen.

Geheim bleibt geheim, bevor es über interessierte Kanäle in aller Regel doch öffentlich wird. Wie jetzt auch im Falle der publik gewordenen Anfrage Saudi-Arabiens, das allerhöchstes Interesse am Kauf deutscher Radpanzer des Typs "Boxer" oder an Kampfpanzern des Typs "Leopard 2" haben soll. Qualität "Made in Germany", gerade bei Kriegsgerät, ist bei den Saudis seit jeher gefragt. Und nicht nur dort.

Heute Riad, morgen Tel Aviv. Israel, dessen Schutz nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel Teil deutscher "Staatsraison" ist, zählt unter den Empfängerstaaten als gesetzt. Der NATO-Partner Türkei wird gleichfalls zuverlässig versorgt. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate empfangen gerne Rüstungsgüter aus Deutschland.

Über Jahrzehnte war Zurückhaltung beim Export deutscher Waffen ins (nicht immer sichere) Ausland geübtes Regierungshandeln. Der diplomatische Altmeister Hans-Dietrich Genscher hat diese Praxis entscheidend mitgeprägt und gegen Versuche der Abkehr von dieser Linie verteidigt.

Seine Nachfolger im Amt blieben auf Kurs. Denn: Rüstungsgüter sind sensible Ware, ungeeignet für Geschäfte mit Jedermann. Erst recht nicht für Potentaten mit dunklen Absichten.

Und so muss der Bundessicherheitsrat in jedem Einzelfall abwägen, was einem Rüstungsexport folgt. Mehr Sicherheit oder mehr Risiko? Doch die Regierung Merkel hat heimlich, still und leise die Praxis der Zurückhaltung aufgeweicht. Es wird mehr Kriegsgerät denn je exportiert.

2011 genehmigte Berlin Rüstungsausfuhren in Höhe von 5,4 Milliarden Euro, der zweithöchste Wert überhaupt. Schon klar, Rüstungsgüter aus Deutschland sind gefragt und teuer. Menschenrechte aber auch. Um diese Abwägung geht es. Sensible Güter müssen besonders gewogen werden. Im Zweifel für Zurückhaltung und Sicherheit.

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