Kommentar Die Drohgebärden von CSU-Chef Seehofer: Komödienstadl

Berlin · Irgendwann ist der Punkt erreicht. Da hat Horst Seehofer verdammt recht. "Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo die bayerische Staatsregierung und auch die CSU nicht mehr Ja sagen können", hat der bayerische Ministerpräsident in Richtung Berlin, in Richtung Angela Merkel und deren Verhandlungsergebnisse zur Euro-Rettung gedonnert.

Wieder einmal. Schon richtig: Irgendwann ist der Punkt erreicht, da kann und mag man dem wankelmütigen CSU-Chef auch nicht mehr zuhören. Seehofer ist für seinen Theaterdonner ebenso bekannt wie für seine Wetterwechsel. Heute Sonne, morgen Regen, ganz wie es dem CSU-Obersten beliebt.

"Fahr? ich nur einmal um den Stachus rum, dreh? ich schon zwei Mal meine Meinung um", textete einer der kabarettistischen Doppelgänger über den ewig unberechenbaren Seehofer beim traditionellen Nockherberg in München. Jetzt hat der CSU-Chef der Schwesterpartei CDU wie auch der FDP mal wieder mit Koalitionsbruch in Berlin gedroht, weil die Koalition ohne die CSU keine Mehrheit hat. Welche Erkenntnis!

CDU-Chefin Merkel wird sich ob der nächsten Volte Seehofers vermutlich derart erschreckt haben, dass sie in aller Ruhe eine Tasse Tee kalt werden ließ. Schlecht gebrüllt, bayerischer Löwe! Er ist auch prompt zurückgerudert. Nein, mit Koalitionsbruch in Berlin habe er nie gedroht. Seehofer weiß: In Wahrheit ist seine CSU das Problem, nicht die Verhandlungsergebnisse der Bundeskanzlerin bei diversen EU-Gipfeln.

Denn: Die Christsozialen müssen bei der bayerischen Landtagswahl im kommenden Jahr um die Regierungsbeteiligung fürchten, nachdem sie bereits 2008 bei einer erdrutschartigen Niederlage die absolute Mehrheit im Freistaat verloren haben. Die SPD mit dem Münchner Dauer-Oberbürgermeister Christian Ude als Spitzenkandidat kann, wenn alle Sterne günstig stehen, mit Grünen und Freien Wählern die CSU nach Jahrzehnten an der Regierung in die Opposition schicken.

Das wäre eine politische Sensation. Nach aktuellen Umfragen wäre dies im Bereich des Möglichen. SPD, Grüne und Freie Wähler kämen demnach gemeinsam auf 43 Punkte, die CSU allein ebenfalls. Also verfährt Seehofer nach der Devise: Bayern zuerst. Merkel hat sich wegen Seehofers jüngster Ausstiegsandrohung noch nicht einmal geschüttelt. Wieso auch? Seehofer poltert, aber er traut sich nicht, auch wenn er sich gerne trauen würde.

Er muss aufpassen, dass die CSU in Berlin nicht noch weiter an Gewicht und Bedeutung verliert. Ober sticht Unter. Berlin liegt oben, München unten, nicht nur der Landkarte nach, auch wenn Verfechter eines Alpenstaates dies gerne anders sehen. Es ist, wie es ist. Seehofer wird auch ein nächstes Mal donnern. Und am Ende die schwarz-gelbe Koalition in Berlin doch bis zur Ziellinie bringen: bis zur Bundestagswahl 2013.

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