Kommentar Die Euro-Debatte - Geduldsfaden

Das Problem der Regierungskoalition ist das Nebeneinander von dickköpfiger Rechthaberei und gelegentlicher Sucht nach Grundsatzdebatten. Kaum jemand hätte diese Gemengelage für möglich gehalten. Im Spätherbst 2009 hatten sich die Koalitionsparteien überzeugt gezeigt, dass die politischen Gemeinsamkeiten das Land in eine bessere Zukunft führen kann.

Aus dieser Koalition der Gemeinsamkeiten ist schon längst ein Bündnis der Gemeinheiten geworden. Die CSU, die vor der Landtagswahl die Karte des bayerischen Egoismus zieht, nutzt die latente Skepsis gegenüber dem Ausland, um am rechtskonservativen Rand neue Sympathien zu fischen. Die Wortwahl des CSU-Partners mag vielleicht in biergeschwängerten Festzelten Begeisterung auslösen. Nur: Der Satz, man müsse an Griechenland "ein Exempel statuieren", diskreditiert seinen Autor und all diejenigen, die dem Satz des in Bayern gewiss gewichtigen Markus Söder applaudiert haben. Das Gleiche gilt für die Euro-Austrittsforderungen in Richtung Athen. Vergleichsweise ruhig ist die Reaktionslage bei der FDP. Der Vorsitzende verhehlt zwar intern und extern nicht, dass er Zweifel an der Mitgliedschaft Griechenlands im Euro hegt. Aber er hat gegenüber Griechenland wenigstens das Oberlehrerhafte abgelegt. Die Kanzlerin will Unaufgeregtheit demonstrieren, weiß aber ganz genau, dass der Konsens mit jedem Tag in der deutschen Innenpolitik brüchiger wird. Er besteht darin, dass erst in Kenntnis des Troika-Berichts, der Ende September/Anfang Oktober vorliegen soll, eine endgültige Entscheidung getroffen werden wird. Dies ist noch eine längere Wegstrecke, die täglich von innenpolitischen Auseinandersetzungen nicht nur in Deutschland begleitet werden wird.

Das Seltsame ist: Die Debatte wird einäugig geführt. Europapolitik wird zur Zeit, auch durch Mitglieder der Bundesregierung, als finanzieller Chaos-Club empfunden. Die monatlichen Gipfelbegegnungen und die gar nicht zu zählenden bi- und trilateralen Begegnungen bestärken in dem Eindruck, dass die Mitglieder sich auf die Lösung der Finanzkrisen konzentrieren und die politische Ebene aus dem Spiel nehmen. Und das ist der großartigen Sache Europa nicht dienlich. Man muss wieder eine Stück Normalität einziehen lassen, die zu einem professionellen Management gehört.

Und Angela Merkel? Die angeblich mächtigste Frau der Welt erfährt zwar viel Anerkennung. Aber kraftvolle Auftritte sind von ihr nicht weiter zu erwarten. Denn sie muss im Hinterkopf behalten, dass sie auf die Stimmen der Opposition angewiesen ist. Und: Die Qualität der politischen Beziehungen und der Umgang mit dem französischen Staatspräsidenten Hollande sind nicht am Begrüßungs-Küsschen zwischen den Chefs zu messen. Dazu ist die Lage zu ernst.

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