Kommentar Die Euro-Krise - Zypern ist überall

Man kann der Ansicht sein, dass Zypern für die Stabilität der Eurozone nur eine untergeordnete Bedeutung besitzt. Im südlichen Teil der Mittelmeerinsel leben weniger Menschen als in Köln, und die Wirtschaftskraft erreicht gerade einmal die Hälfte derjenigen Mecklenburg-Vorpommerns.

Man kann auch der Ansicht sein, dass die zyprischen Sparer eine Beteiligung am Rettungspaket für ihr marodes Bankensystem in Höhe von wenigen Prozent ihrer Einlagen, wie zuletzt geplant, verkraften können. Das alles mag objektiv stimmen. Subjektiv aber handelt es sich bei den Rettungsplänen für Zypern um einen massiven politischen Vertrauensbruch der europäischen Politik gegenüber ihren Bürgern.

Auch wenn jetzt heftig zurückgerudert wird: Im Grunde sollten auf Zypern Kleinsparer für die Fehler der Banker und Politiker mithaften. Ganz abgesehen davon, ob damit tatsächlich die Verursacher der Krise zur Rechenschaft gezogen werden, zeigt das Vorgehen auch, was die europäische Einlagensicherung, die Guthaben bis 100.000 Euro schützen soll, wert ist. Im Ernstfall, für den sie eingerichtet wurde, nämlich nichts.

Die Pläne, nach denen Zypern saniert werden soll, grenzen an Betrug. Steffen Seibert, Sprecher der Bundesregierung, beeilte sich am Montag zwar zu versichern, dass die Garantie von Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Jahr 2008 für die Spareinlagen in Deutschland weiter gelte. Seibert ließ sich den schönen Satz entlocken: "Es ist das Merkmal einer Garantie, dass sie gilt." Zypern sei ein "Sonderfall", betonte Seibert ebenso wie EZB-Direktor Jörg Asmussen. In "Sonderfällen", so darf man folgern, besitzen Garantien offenbar andere Merkmale als die der Gültigkeit.

Wer garantiert denn, dass nicht Griechenland oder Spanien die nächsten "Sonderfälle" werden? Wie sicher ist unser Geld bei den Banken noch? Was sind die politischen Versprechungen zur Euro-Zone überhaupt noch wert? Der Raubversuch an den zyprischen Sparern ist ja nicht der erste Tabubruch. Ob Verstoß gegen die Maastrichter Stabilitätskriterien, eigentlich nicht vorgesehene Bürgschaften für Schulden anderer Staaten, im Grunde unzulässiger Aufkauf maroder Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank - seit Jahren werden es immer mehr "Sonderfälle".

Dass die Politik in Krisensituationen Flexibilität zeigen muss, sei zugestanden. Bisher wurde die Eurokrise gar nicht so schlecht gemanagt. Der Währungskurs steht ordentlich, die Aktienkurse ebenso, die deutsche Wirtschaft brummt, und die Krisenländer scheinen das Allerschlimmste hinter sich zu haben. Gerade deshalb ist es auch völlig unnötig, in Zypern erneut eine rote Linie zu überschreiten. Solches Vorgehen leistet nur Euroskeptikern und Nationalisten Vorschub. Denn wenn es um Geld geht, gilt: Zypern ist überall.

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