Kommentar Die falsche Zeit für Faxen

Auf die frechen Faxen, großen Gesten und Grimassen, die ihn neben seinen Leistungen weltberühmt gemacht haben, verzichtete Usain Bolt gestern größtenteils. Dabei hätte der schnellste Mann der Welt eigentlich Grund zur Ausgelassenheit, ist er doch auf dem besten Weg, erfolgreichster Sportler in der Geschichte von Leichtathletik-Weltmeisterschaften zu werden.

Zweimal muss Usain Bolt dazu noch in Moskau gewinnen: Über 200 Meter und mit der jamaikanischen Sprintstaffel. Dann würde er den großen Carl Lewis übertreffen. Wenn er die Mission diesmal noch nicht erfüllt, dann eben zwei Jahre später bei der nächsten WM in Peking. Bolt ist knapp 27, ein paar Jahre hat er dafür noch Zeit.

Der Mann, der die Sprint-Welt nach Belieben beherrscht, ist kurioserweise als einziger aus den Top Ten bislang weder positiv auf Doping gestestet worden noch sind wirkliche Indizien gegen ihn bekannt. Nur der undifferenzierte Generalverdacht gegen die jamaikanische Sprintszene streift ihn. Eine ganze Reihe von Kollegen aus seiner Heimat wurde zuletzt der Leistungsmanipulation überführt.

Mit seiner verhalten geäußerten Freude hat Bolt in Moskau angemessen reagiert. Denn die Lage ist ernst, es ist die falsche Zeit für Faxen. Die Öffentlichkeit wird vom Zweifel geplagt. Und nach dem 100-m-Finale von Moskau darf weiter trefflich darüber spekuliert werden, ob seine Zurückhaltung aus einem schlechten Gewissen, aus Angst vor Enttarnung, oder aus Verärgerung darüber gespeist wird, dass er zu Unrecht dem Generalverdacht ausgesetzt ist, der nach den jüngsten Skandalen die Sprintszene mehr denn je begleitet.

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