Die Flexi-Rente - Gleitender Ausstieg

BERLIN · Es wird immer unübersichtlicher: Gerade haben sich die Menschen an die Riester-Rente gewöhnt, schon ist eine neue Rente in vieler Munde, die Flexirente. Flexi kommt von flexibel.

Darum geht es: Die Koalition will den Menschen mehr Einfluss auf die Entscheidung geben, wann sie ihr Erwerbsleben beenden. Wenn sie sich fit fühlen, sollen sie über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus beim Chef um Verlängerung bitten dürfen. Und sie sollen die Möglichkeit bekommen, sich auch früher zum Teil aus dem Erwerbsleben zu verabschieden. Sie sollen dann nur zur Hälfte aufs Altenteil gehen können und montags und dienstags wie gewohnt ihrem alten Job nachgehen.

Fachleute fordern seit langem mehr Flexibilität beim Renteneintritt. Die Argumente leuchten auch ein. Ein gleitender Ausstieg aus dem Job hat für den älteren Menschen den Charme, dass er nicht abrupt in die neue Lebensphase eintritt. Der Rentner in spe kann vielmehr langsam kürzer treten. Das gibt Freiräume, sich schon einmal umzuschauen nach einer sinnvollen Freizeitgestaltung.

Auch der Betrieb profitiert: Der Erfahrungsschatz des Mitarbeiters ist nicht von einem Tag auf den anderen verloren. Hinzu kommt: Der ältere Kollege, der nur noch an zwei Tagen in der Woche erscheint, ist dabei womöglich umso leistungsfähiger und motivierter, dankbar für die Sozialkontakte im Büro. Schließlich zahlt sich die freiwillige Mehrarbeit der rüstigen Alten auch für die Gesellschaft aus: Der Staat erzielt mehr Steuereinnahmen, die Sozialkassen mehr Beiträge.

Das klingt alles gut. Nur: Nüchternbetrachtet, bereitet die Koalition mit der Flexirente gerade etwas vor, worauf so gut wie niemand hierzulande wartet. Schon heute gibt es viele Möglichkeiten für einen gleitenden Übergang in den Ruhestand. Ältere Arbeitnehmer können zum Beispiel mit 63 in Teilrente gehen, sich die bis dahin erworbenen Ansprüche zu einem Drittel, zur Hälfte oder zu zwei Dritteln auszahlen lassen. Dabei wird die Teilrente um die versicherungsmathematisch korrekten Abschläge gemindert. Der Arbeitnehmer kann weiterarbeiten und mit der Teilzeitarbeit weitere Rentenansprüche erwerben. Das geht bereits jetzt. Die Menschen finden es aber uninteressant:

Derzeit zahlt die Gesetzliche Rentenversicherung nur 3000 Teilrenten. Das sind nicht einmal 0,002 Prozent aller Altersrenten. Mit anderen Worten: Es gibt so gut wie niemanden, der freiwillig in Teilrente geht. Möglich, dass der Zeitgeist nur noch nicht so weit ist. Wenn das so ist, sollte die Politik aber dafür sorgen, dass die Flexirente keinen Schaden anrichtet. Bestrebungen des Wirtschaftsflügels der Union, Ruheständler weiter arbeiten zu lassen und die Betriebe von Sozialabgaben zu befreien, muss eine klare Absage erteilt werden. Die Flexirente darf kein Dumpinglohnsegment für Alte schaffen.

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