Kommentar Die große Koalition und die Energie - Eine Wende für alle

Sigmar Gabriel hat es in der Hand. Und Angela Merkel hält die Hand drauf. So sieht die Arbeitsteilung der großen Koalition beim Zukunftsthema Energiewende aus.

Der Vize-Kanzler leitet das operative Geschäft, die Bundeskanzlerin wacht gewissermaßen als Vorstandsvorsitzende der Deutschland AG darüber, dass der Bundeswirtschaftsminister die Energiewende nicht allein zu seinem Projekt macht. Merkel und Gabriel haben das Koalitionsbett zwar noch nicht einmal richtig angewärmt, aber bei der Energiewende denken die CDU-Vorsitzende und der SPD-Chef schon an die nächste Bundestagswahl in vier Jahren.

Eine Energiewende für alle ist zwar ihr erklärtes gemeinsames Ziel. Aber wer am Ende im Falle des Gelingens den Vorteil für sich verbucht, darüber wollen sie schon die Deutungshoheit behalten. Merkel hat vorbeugend ja schon erklärt, die Energiewende sei das Projekt der gesamten Bundesregierung, nicht das eines Ministers.

Doch erst einmal muss Gabriel durch das mühselige Tagesgeschäft. Denn die Wende vollmundig zu verkünden, ist das eine, sie mit all ihren Fördermechanismen richtig, das heißt marktwirtschaftlich, sicher und preiswert zu gestalten, das andere. Die Bundeskanzlerin hat den Vorteil: Sie kann sich angucken, was ihr Wirtschafts- und Energieminister zustande bringt. Im Zweifel siegt die Richtlinienkompetenz der Bundeskanzlerin über die Sachkompetenz ihres herausgehobenen Fachministers.

Schon begehren die Ministerpräsidenten, auch solche mit SPD-Parteibuch, gegen den Plan des Bundeswirtschaftsministers auf, die Förderung neuer Windkraftanlagen an Land zu kappen, sobald binnen eines Jahres mehr als 2500 Megawatt Leistung neu installiert sind, was ungefähr 1000 Windrädern entspricht. Gabriel war selbst Ministerpräsident in Niedersachsen, an dessen Küste Wind weht und Windräder rotieren.

Er weiß, wie sehr Länder ihre Interessen im Zweifel auch gegen die eigene Partei im Bund durchfechten. Die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, Torsten Albig und Erwin Sellering (beide SPD), haben ihrem Parteichef Gabriel schon angedeutet, wie viel Gegenwind die Küste produziert, sollte der Vize-Kanzler die Förderschraube zu stark in die falsche Richtung drehen.

Gabriel ist mit dem Großprojekt einer nationalen Energiewende gut beschäftigt, was Merkel nur recht sein kann. Deutschland arbeitet als viertgrößte Volkswirtschaft der Erde an seinem Energiemix der Zukunft. Versorgungssicher bei allen Wind- und Wetterlagen soll er sein, bezahlbar und risikoarm. Der 2011 durch den Gau im japanischen Atomkraftwerk Fukushima provozierte und von einer zunehmend atomüberdrüssigen deutschen Öffentlichkeit gewollte Ausstieg aus der Atomkraft hat den Einstieg in diese Energiewende erst richtig möglich gemacht.

Jetzt müssen CDU und CSU, die lange an der Atomkraft festhielten, und SPD, die sich früh von ihr verabschiedete, diese Wende gestalten. Gelingt dies, so hat die Bundeskanzlerin gesagt, werde sie zum Exportschlager der Bundesrepublik. Nicht nur das: Wenn sie gelingt, gewinnen alle. Und Gabriel würde sehr gerne gewinnen.

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