Die Grünen im Umfrage-Hoch: Gefährlicher Höhenflug

Für die guten Umfragewerte, die sie im Moment erhalten, können die Grünen nichts. Ihnen ist die gemessene Zustimmung selbst nicht geheuer. Anders als bei Ikarus ist ihr Höhenflug nicht gleichzusetzen mit einem aktiven und somit unverschämten Griff nach der Sonne, der mit einem Absturz bestraft werden muss.

Vielmehr steigen die Grünen durch die Thermik, die die anderen Parteien erzeugen: Diese verbrennen permanent Vertrauen, entweder durch unprofessionelles Regierungshandeln oder durch interne Querelen wie die SPD beim Umgang mit Thilo Sarrazin.

Zudem haben die Grünen, und das wissen sie auch selbst, die guten Umfragewerte nicht wirklich verdient. Sie wirken immer mehr wie eine ganz normale bürgerliche Partei der Mitte. Aber sie sind in dieser Mitte noch lange nicht angekommen. Ihre Gemeinwohlorientierung, böser formuliert: ihre Gutmenschen-Attitüde, kommt auch bei den Gutverdienern aus Bonn-Poppelsdorf oder Köln-Lindenthal an.

Aber wenn es dann um harte Themen geht, um Integrations-Verweigerung etwa oder Sozialstaats-Missbrauch, wirken die Grünen seltsam abgehoben, ja arrogant. Schließlich wird eine scheinbare Öffnung der Grünen zur CDU registriert. Aber geht man in die Inhalte (Beispiel: Energiepolitik), dann zeigt sich: Schwarz-Grün auf Bundesebene ist zur Zeit nur eine Utopie.

Tatsächlich sehnen sich die bürgerlichen Schichten in der Bundesrepublik nach einer modernen Partei, die ihre Interessen optimal vertritt. In dem Maße, wie Union und FDP versagen, kommen die Grünen ins Spiel. Ihre Familienpolitik war schon fortschrittlich, als es eine Ursula von der Leyen auf der Berliner Bühne noch gar nicht gab.

Und die Grünen stehen glaubwürdig für Nachhaltigkeit - ein Begriff, der besonders wichtig ist und nicht länger in phrasenschwangeren Sonntagsreden missbraucht werden darf. Ob Stuttgart 21 oder die Atompolitik: Die Grünen bieten für die meisten Menschen das attraktivere Programm. Nur: Reicht das am Ende wirklich aus?

Wer gegen Atomkraft und Kohle ist, muss erklären, wie er verhindern will, dass in Poppelsdorf und Lindenthal die Lichter ausgehen. Wer für mehr Chancengleichheit in der Schule eintritt, muss erklären, ob er die Freiheit der Schulwahl und vor allem die Existenz der Gymnasien garantieren kann, die man gerade in bürgerlichen Kreisen nicht missen will.

Wer für einen verstärkten sozialen Ausgleich streitet, muss die gutverdienende Bevölkerung davon überzeugen, dass sie künftig nicht weniger, sondern mehr Steuern zahlen soll. Mit anderen Worten: Wer sich gewollt oder ungewollt aufmacht, Volkspartei zu werden, muss für einen Ausgleich unterschiedlicher Interessen sorgen, muss Kompromisse anbieten.

2011 geht es darum, nicht nur Umfragen zu gewinnen, sondern Wahlen. Gelingt dies, dann gefährdet jede weitere Regierungsbeteiligung den grünen Zauber.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Das Ende der Doppelspitzen
Kommentar zu Partei-Doppelspitzen und dem Koalitionsausschuss Das Ende der Doppelspitzen
Mehr Offenheit gewünscht
Kommentar zum Gemeinnützigkeitsrecht Mehr Offenheit gewünscht
Zum Thema
Erleichterung
Kommentar zum Selbstbestimmungsgesetz Erleichterung
Der Stern von Björn Höcke sinkt
Kommentar zum TV-Duell von Höcke und Voigt Der Stern von Björn Höcke sinkt
Aus dem Ressort