Kommentar Die Haushaltswoche - Schäuble und Scheitern

Angela Merkel neigt nicht zu emotionalen Ausbrüchen. Dass das Bundesverfassungsgericht grünes Licht für den Euro-Rettungsschirm ESM gab, nahm die Kanzlerin als Bestätigung ihres Kurses hin, mehr nicht.

Ins Stolpern geriet Merkel im Bundestag an anderer Stelle: Als es um die Neuverschuldung des Bundeshaushalts ging. "Traurig, bestürzt und erschrocken" sei sie.

Das mag verblüffen, aber nicht die 19 Milliarden Euro neue Schulden, die der Bund nächstes Jahr trotz guter wirtschaftlicher Entwicklung machen will, bringen die CDU-Vorsitzende aus dem Gleichgewicht. Es ist die beißende Kritik der Opposition, die sie trifft. Die findet, dass die Regierung die Nettokreditaufnahme viel schneller auf Null zurückführen könnte. So peilt die Koalition dafür erst das Jahr 2016 an.

Man weiß, wie das läuft: Seitdem der staatliche Schuldenberg in den 80er Jahren aus dem Ruder zu laufen begann, haben alle Bundesfinanzminister, von Theo Waigel über Hans Eichel bis zu Peer Steinbrück versucht, die Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen.

Waigel kam die Wiedervereinigung in die Quere, Eichel unterlag dem Drängen von Gerhard Schröder, nicht zu eisern zu sparen, und Steinbrück sah sich mit dem Crash der Lehman-Bank und der folgenden Finanzkrise konfrontiert.

Und nun Schäuble. Es stimmt ja, dass Deutschland im Rahmen der Euro-Rettung Verpflichtungen übernommen hat. Acht Milliarden Euro muss der Bund schon dieses Jahr in den ESM einzahlen, nächstes Jahr folgt derselbe Betrag.

Der Bund übernimmt auch milliardenschwere Finanzlasten der Länder. Schließlich hat Berlin den Euro-Partnern versprochen, die Binnenkonjunktur in Deutschland nicht durch übermäßiges Sparen abzuwürgen. Unter dem Strich, findet Schäuble, sind das alles genug Gründe, um 19 Milliarden Euro neue Schulden im Jahr 2013 zu machen.

Eine andere Rechnung, und sie ist plausibler, lautet: Der Bund spart über 20 Milliarden Euro bei seinem Schuldendienst, weil er von historisch niedrigen Zinssätzen profitiert. Die gute Konjunktur hat dem Staat massive Steuermehreinnahmen beschert. Und dann sind da noch etliche Milliarden Euro auf der Sparliste, die die Koalition 2010 aufgestellt hatte. Warum spricht Schäuble nicht mehr von diesen Maßnahmen?

Nun muss man sich auch nicht die Sicht der Opposition zu eigen machen. Sie findet, dass die Koalition besser die Steuern erhöhen sollte. Gegenwärtig sind die Konstellationen aber so günstig, dass man dies auch mit ein bisschen haushalterischem Ehrgeiz schaffen könnte, ohne an der Steuerschraube zu drehen.

Die nächste konjunkturelle Abkühlung kommt bestimmt. Es wäre Schäubles krönendes Lebenswerk, wenn er noch rechtzeitig die schwarze Null in seinem Haushalt vorweisen könnte.

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