Kommentar Die Kanzlerin in der Euro-Krise - Auf Thatchers Spuren

Sie gibt nach außen die "eiserne Kanzlerin". Am Vorabend des in vielerlei Hinsicht wegweisenden Brüsseler EU-Gipfels machte Angela Merkel aus ihrem Herzen keine Mördergrube. "Solange ich lebe", werde es keine Vergemeinschaftung der Schulden geben, hatte die 57-jährige beinahe pathetisch erklärt.

Das ist eine Formulierung, die Widerstand gegen Euro-Bonds und Schulden-Vergemeinschaftung bis zuletzt signalisieren soll. Möglicherweise ist der Kanzlerin dieser Satz einfach so herausgerutscht. Aber mit dieser Äußerung hat sie nochmals die Entschlossenheit dokumentiert, Deutschland finanziell nicht überfordern zu lassen. Genau das könnte eintreten.

Denn die Krisenländer haben immer größere Mühe, an frisches und immer teurer werdendes Geld zur Finanzierung der laufenden Ausgaben und Tilgung bestehender Milliarden-Schulden heranzukommen.

Um eine Dimension deutlich zu machen: Noch vor drei Jahren hatte die Kanzlerin gesagt, Griechenland erhalte keinen Cent. Mehrere Milliarden-Hilfspakete später und nach immer voluminöseren Rettungsschirmen stellt sich die Frage, wo die Grenze liegt. Wenn es sie überhaupt gibt.

Merkel weiß sehr wahrscheinlich genau um einen zentralen Zusammenhang: Je ausufernder deutsche Steuergelder zur Entschuldung der Euro-Problemländer eingesetzt werden, desto wackliger wird die innenpolitischen Stimmung in Berlin. Dem Bürger wurde vor gar nicht so langer Zeit vorgegaukelt, Griechenland sei der einzige Kandidat, dem finanziell unter die Arme gegriffen werden müsse.

Das waren noch vergleichsweise sorglose Zeiten. Inzwischen liegen die Ansprüche aus Spanien und Zypern auf dem Tisch. Als Problemfälle gelten Irland und Portugal. Und immer weniger ist das Problem mit Athen lösbar.

Merkel hat ein gutes Gespür für bedrohliche Entwicklungen. Sie hat sich zwar im Frühjahr in der Einschätzung vertan, die Krise sei kein größeres Problem mehr. Inzwischen weiß man um die wahren Dimensionen. Auf dem Spiel steht die EU insgesamt. Darin ist sich die die große Mehrheit in der deutschen Politik einig.

Es ist für die Kanzlerin nicht zuletzt ein Kampf um ihre politische Existenz. Gibt sie in der Frage der Euro-Bonds nach, steht sie öffentlich als Verliererin dar. Die SPD-geführte Opposition dürfte das auskosten. Aber auch für die Genossen muss klar sein, dass die SPD selbst auf dem Prüfstand steht. Merkel und ihr Finanzminister haben geliefert und auf europäischer Ebene die Voraussetzungen für die Finanz-Transaktionssteuer geschaffen.

Mit dem 130-Milliarden-EuroPaket, auf das sich der Europäische Rat verständigen wird, kann relativ viel für Wachstumsimpulse getan werden, die die SPD einforderte. Fiskal-Pakt und neuer ESM-Rettungsschirm, die morgen ihren parlamentarischen Hürdenlauf vor sich haben, dürften problemlos durchgewinkt werden.

Merkel hat in EU-Fragen eine nicht zu unterschätzende Autorität. Sie wandelt auf Maggie Thatchers Spuren als "Eiserne Lady".

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