Kommentar Die Koalition, der Euro und das Wahlrecht - Merkel im Herbst

Der Herbst wird kommen. Und mit ihm die nächsten Debatten über Hilfspakete, Rettungsschirme, Bankenrekapitalisierung, Kanzlermehrheiten und auch das Wahlrecht. Wenn der Bundestag im September seine Beratungen wieder aufnimmt, könnte Bundeskanzlerin Angela Merkel eine ungemütliche dritte Jahreszeit ins Haus stehen.

Sicher, die schwarz-gelbe Koalition verfügt über die komfortable Mehrheit von 40 Stimmen. Doch die CDU-Chefin hat schon bei den zurückliegenden Abstimmungen über zwei Hilfspakete für Griechenland, den Fiskalpakt, den Euro-Rettungsschirm ESM und die Hilfen für spanische Banken zu spüren bekommen: Aus voller Überzeugung stimmen schon längst nicht mehr alle Abgeordneten der Union (wie auch der FDP) für die Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung. Merkel muss beruhigen. Die Koalition und die Märkte. Auch so ist die gemeinsame Erklärung mit Frankreichs Präsident François Hollande zu verstehen, alles zum Schutz der Euro-Zone zu tun.

Noch ist Griechenland Mitglied der Euro-Zone. Noch ist die nächste Tranche aus dem zweiten Griechenland-Paket nicht ausbezahlt. Und noch hat der Bundestag keinen Antrag vorliegen, auch noch ein drittes Griechenland-Hilfspaket durchzuwinken. Merkel müsste nach dem Stand der Dinge um ihre Koalitionsmehrheit fürchten.

Die Unterstützung bröckelt, die Zweifel wachsen. Für Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hat ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone den Schrecken verloren. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sorgt sich um die Wettbewerbsfähigkeit aller europäischen Volkswirtschaften. Bayerns Finanzminister Markus Söder hält ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone für unausweichlich. Kanzlerin, hör? die Signale!

Gar nicht auszudenken, müsste Merkel, weil ihr die eigene Mehrheit wegzubrechen drohte, die Vertrauensfrage stellen, um herauszufinden, ob sie noch eine Mehrheit für ihr Regierungshandeln hat. Verlöre die Kanzlerin in nächster Zeit eine Abstimmung über ein drittes Griechenland-Hilfspaket, Deutschland stünde vor einer unwägbaren Situation.

Denn: Nach dem Karlsruher Urteil ist das Land bis auf weiteres ohne gültiges Wahlrecht. Nun gut, das höchste deutsche Gericht könnte eine Übergangsregelung treffen. Aber politisch wäre die Wirkung verheerend. Und stockt es erst einmal in Deutschland wegen eigener politischer Instabilität, der Euro wäre kaum mehr zu halten.

Regierungsamtlich gibt es auf derlei Szenarien natürlich keine Reaktion. Doch für künftige Euro-Abstimmungen gilt: Das Ja von SPD und Grünen für eine breite Mehrheit ist nicht mehr sicher. Und Union und FDP haben zunehmend Probleme, den Rettungskurs in den Wahlkreisen zu verkaufen. Merkel weiß das. Und sie weiß, dass dieser Herbst schwer für sie wird.

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