Kommentar Die Koalitionsvorsitzenden - Vertagt
Die Koalition ist erstaunlich lässig im Umgang mit der öffentlichen Erwartung. Anstatt ein Signal zum politischen Durchstarten zu geben, setzt sich die Merkel-Art der Konfliktbewältigungsstrategie wieder einmal durch: Sie vertagt die Probleme, verzögert dringend notwendige politische Entscheidungsprozesse und verhindert so den Eindruck einer tatkräftigen Regierung.
Die beiden Männer, mit denen sie innenpolitisch zu tun hat, verhalten sich kaum weniger irrational: CSU-Chef Seehofer tritt der Kanzlerin durch öffentliche Kritik immer hörbarer vor's Schienenbein. Und FDP-Chef Rösler bereicherte die politische Kultur um Vergleiche zwischen zwischen Kanzlerin und einem Frosch im Kochtopf. Das Schlimme ist: Rösler ist immer noch stolz darauf.
Diese Form persönlicher Gehässigkeiten hat viel mit der Unzufriedenheit in der Koalition zu tun. Sie wird - noch - überdeckt durch die unbestreitbare Tatsache, dass dieses Land überdurchschnittlich gut mit den Folgen der Wirtschafts- und Währungskrise zurecht gekommen ist. Das gilt als zentrale Leistung der Kanzlerin.
Mit diesem Pfund kann Angela Merkel für ihre Partei in den anstehenden Bundestagswahlen wuchern, auch wenn die Konjunkturprognosen auf grauere Zeiten hindeuten. Wenn man es aber mit einem Profilneurotiker à la Seehofer und einem innerparteilich schwachen FDP-Chef zu tun hat, geraten diese positiven Entwicklungen in den Hintergrund. Der gestrige Vorsitzenden-Gipfel hat diesen Zwiespalt eindrucksvoll dokumentiert.