Kommentar Die Krise der Bundeswehr - 5 nach 12

Ginge es um ein Unternehmen in der freien Wirtschaft, die Konsequenz wäre eindeutig: Der Laden würde dichtgemacht. Es geht im konkreten Fall aber um das wichtigste Unternehmen dieses Staates: die Bundeswehr.

Und die kann nicht dichtmachen. Im Gegenteil: Sie wird immer öfter - wieder - gebraucht, auch wenn ihr Eigentümer damit nicht gerechnet hat.

Damit liegt das erste Problem des Sanierungsfalls Bundeswehr schon auf dem Tisch: Die deutsche Armee ist sträflich vernachlässigt worden. Seit Jahrzehnten. Und das liegt nicht an den bösen 68ern, sondern an denen, die nach dem Ende des Ost-West-Konflikts glaubten, es brauche die Bundeswehr nicht mehr. Kein Kalter Krieg, keine Soldaten mehr. Oder kaum noch.

Ein Ausfluss dieses naiven Glaubens an den Ausbruch der Glückseligkeit auf dieser Welt war auch die faktische Abschaffung der Wehrpflicht, ausgerechnet initiiert durch eine christdemokratische Kanzlerin. Das zusammengenommen ist der gedankliche Überbau, der dazu führte, dass die Fundamente der Armee unterspült wurden.

Der Abwertung des Unternehmens entsprach die Abwertung seines Führungspersonals. "Große" Verteidigungsminister wurden selten, mittelmäßige häufiger - ja selbst vor Proporzentscheidungen machte die Kanzlerin nicht Halt. Das Haus verfiel zusehends. Nur Zyniker stellen da die Frage, warum es der Verteidigung in diesem Land besser ergehen solle als Brücken, Straßen und Schienennetz.

Anders gesagt: Die Infrastruktur dieses Landes zerfiel und zerfällt, weil ihr keine politische Priorität gegeben wurde. Minister auf der Hardthöhe waren zufrieden, wenn es ihnen gelang, das Haus aus den Schlagzeilen zu halten. Positive Schlagzeilen erwartete man im politischen Berlin schon gar nicht mehr.

Dabei setzt die neue internationale Rolle Deutschlands - vom Ausland massiv gefordert und vom deutschen Politik-Spitzenpersonal, allen voran dem Bundespräsidenten, gefördert - genau das Gegenteil voraus. Die Bundeswehr müsste ein Vorzeigeunternehmen sein, um all die Herausforderungen zu erfüllen, die sich ihr stellen. Allein 18 aktuelle Auslandseinsätze sprechen da eine eindeutige Sprache.

Stattdessen: 180 Transportpanzern eines bestimmten Typs sind nur 70 einsatzbereit, von 43 Marinehubschraubern sieben, von vier U-Booten eines. Hans-Dietrich Genscher, der Altmeister der Ironie, fügt hinzu, es wäre "hilfreich", wenn Flugzeuge auch fliegen könnten.

Heute bekommt die beim Wahlvolk zusehends in Ungnade fallende Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen den Abschlussbericht externer Prüfer über das Rüstungschaos in ihrem Haus - auch das wird im Übrigen ausgetragen auf dem Rücken des Personals. Das Fazit ist eindeutig: Es ist 5 nach 12 im Bendlerblock.

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