Kommentar Die Lage in Ägypten - Wer die Geister ruft
Wenn das ägyptische Militär weiter in dieser Weise die Konfrontation mit den Muslimbrüdern sucht, dann steuert es das Land am Nil direkt in einen Bürgerkrieg. Der Aufruf der Armee an die Mursi-Gegner, auf die Straße zu gehen, war gefährlich. Statt das Land zu einen und den Neuanfang mit den säkularen und den islamistischen Kräften zu suchen, spaltet die Militärführung die Nation noch weiter. Auch die gegen Mohammed Mursi erhobenen Konspirationsvorwürfe und die fortgesetzte Haft heizen den Konflikt an.
Wenn der Westen anfangs noch stillschweigend den Putsch vom 3.Juli gutgeheißen hatte, muss er jetzt ins Nachdenken kommen. Es geht in Ägypten nicht um islamistische Kräfte gegen säkulare, die Lage ist viel komplizierter. Was sich jetzt entwickelt, ist eine Radikalisierung.
Auch die USA, die der Regierung in Kairo eine Milliarde Euro jährlich überweisen, sind besorgt und setzen die Lieferung von Kampfflugzeugen aus. Wieder einmal zeigt sich, wie schwer es ist, ein Land aus einer nationalistischen Autokratie in eine funktionierende Demokratie zu überführen.
Zur Entlastung der Muslimbrüder und ihres Präsidenten Mursi ist zu sagen, dass er keinerlei Regierungserfahrung hatte. Sein größter Fehler war, bei der Bildung seines Kabinetts und der Reform der Verfassung nicht alle Kräfte eingebunden zu haben. Am Ende funktionierte gar nichts mehr - weder die Wirtschaft, noch die Sicherheit auf den Straßen. Jetzt droht sich zu bewahrheiten, was Kritiker von Beginn an befürchtet hatten: Es war ein Fehler der Mursi-Gegner, sich vom Militär Hilfe zu erhoffen.