Kommentar Die Lage in Afghanistan - Keiner wird gewinnen

Afghanistans Regierung brauchte gerade mal einen Tag, um die üblichen Verdächtigen zu identifizieren. Bei den Talibankämpfern, die am Sonntag das Machtzentrum der Hauptstadt Kabul für Stunden in ein Schlachtfeld verwandelten, habe es sich um Leute der sogenannten Hakkani-Fraktion gehandelt.

Mit der Schuldzuweisung an den Teil der im benachbarten Pakistan beheimateten Talibanmilizen, der im Allgemeinen die Selbstmordattentäter im blutigen Krieg am Hindukusch beisteuert, lenkt Kabul den Blick auf eine unverrückbare Wahrheit. Egal wie stark die Sicherheitskräfte des Landes aufgerüstet werden, es gibt keine totale Sicherheit.

Die Angriffe vom Sonntag, von den Taliban etwas vollmundig als Beginn einer "Frühjahrsoffensive" gefeiert, waren freilich auch nicht gerade ein Beweis der Stärke der Milizen. Die Attacke kann aber auch nicht als Bewährungsprobe für die Fähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte gewertet werden, auf eigenen Füßen gegen die Milizen zu kämpfen. Denn sie wurden am Sonntag in Kabul massiv von den Soldaten der Internationalen Sicherheitstruppe Isaf unterstützt.

Der Angriff in Kabul erweckte einerseits die selbstgefälligen Optimisten aus ihren Träumen, wonach die Taliban zunehmend schwächer werden. Aber vor allem bestätigt die Attacke die alte Binsenweisheit, wonach die Regierungsseite die Milizen nicht besiegen kann und die Taliban die Karsai-Regierung nicht vertreiben können. Das ist, so sollte man meinen, eine ideale Vorrausetzungen für einen Dialog über eine politische Lösung.

Aber die Taliban zieren sich immer noch. Schließlich brauchen die Nato-Staaten einen solchen Deal, nachdem sie die politische Dummheit begangen haben, der Welt ein definitives Datum für den Abzug von Kampftruppen zu nennen. Die Taliban stellen ihre Strategie nun auf diesen Zeitpunkt ab und sehen einen Dialog als Instrument, ihre Position zu stärken.

Aber die Frühjahrsoffensive soll nicht nur die Verhandlungsposition stärken. Sie hilft der Taliban-Führung auch, nach den schweren Verlusten der vergangenen zwei Jahre müde gewordenen Kämpfern vorzugaukeln, der Sieg der islamistischen Sache rücke näher. Das gilt vor allem mit Blick auf die pakistanischen Taliban, bei denen die Unzufriedenheit wächst.

Deshalb sollte man die militärische Bedeutung eines Angriffs wie die Attacke in Kabul nicht überbewerten. Sie fiel zwar spektakulär aus, aber der Spuk war nach einigen Stunden vorüber.

Weitaus weitreichender sind die politischen Folgen: Bei einer Bevölkerung, die wieder einmal verunsichert wird; bei Talibankämpfern, die sich am Heldentum ihrer Kampfgenossen berauschen - und nicht zuletzt bei den afghanischen Politikern, die sich Sorgen um ihre Zukunft machen.

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