Notizen aus B. Die Luft für Freiraum wird dünner

Bonn · Die Bundesnetzagentur baut einen Stacheldrahtzaun im Bonner Tulpenfeld wie weiland der Farmer George in einem Lucky-Luke-Comic. Doch wo ist die Rinderherde? Und die deutsche Nationalmannschaft setzt ein Zeichen gegen die Gängeleien der Fifa.

Die Bundesnetzagentur bekommt einen Zaun, um die kritische Büroinfrastruktur zu schützen.

Die Bundesnetzagentur bekommt einen Zaun, um die kritische Büroinfrastruktur zu schützen.

Foto: Benjamin Westhoff

In der Lucky-Luke-Folge „Stacheldraht auf der Prärie“ gerät der Farmer George in Existenznöte, weil sein Ackerland inklusive Behausung regelmäßig von einer Rinderherde plattgetrampelt wird. Das führt zu einem Kleinkrieg zwischen ihm und dem leicht übergewichtigen Rinderzüchter Cass Casey. Der Streit mündet darin, dass der Farmer mit Hilfe von Lucky Luke einen Stacheldrahtzaun um sein Gelände zieht, was wiederum Casey die Zornesröte ins feiste Gesicht treibt. Soweit, so verständlich und außerdem munter zu lesen.

Im ehemaligen Bonner Regierungsviertel verhält sich die Bundesnetzagentur gerade so ähnlich wie Farmer George, nur dass es rundherum weder eine Prärie gibt noch eine Rinderherde.  Irgendwelche Sicherheitsbehörden haben die Bundesnetzagentur dazu angehalten, einen Zaun mit Stacheldraht-Applikationen obendrauf rund um die Büros aufzustellen, die wohl zur kritischen Infrastruktur zählen – und dann wird das halt gemacht. Wie es so zugeht in unserem Rechtsstaat, gibt es passende Regeln in der Bauordnung, die da besagen, dass so etwas beispielsweise zur „Abwehr sonstiger außergewöhnlicher Ereignisse zum Schutz der Bevölkerung“ eben möglich ist.

Ein bisschen schwammig ist diese Begründung schon. Der Grünen-Stadtverordnete Rolf Beu hat in einem Meinungsbeitrag auf seiner Facebook-Seite darauf hingewiesen, dass nicht einmal zu Hochzeiten der Roten Armee Fraktion in den 1960er und 1970er Jahren Stacheldraht um die damals im Tulpenfeld untergebrachten Ministerien gezogen wurde.

Ein gewitzter Kommentator merkte an, dass der Stacheldrahtzaun möglicherweise gar nicht errichtet werde, um einen wütenden Mob fernzuhalten für den Fall, dass die Agentur das Abschalten von Gas in einer Mangellage verfügen sollte. Vielleicht sei das Hindernis ja gedacht, um die Beamten daran zu hindern, das Gelände zu verlassen.

Was die Einschnitte der bürgerlichen Freiheitsrechte betrifft, hat in dieser Woche die deutsche Nationalmannschaft in Katar so richtig auf die Pauke gehauen. Wochenlang hatte man sich die bange Frage gestellt, auf welches Mittel die Spieler zurückgreifen werden, um ein Zeichen gegen die Gängeleien der Fifa zu setzen. Manche hofften auf getönte Frisuren in Regenbogenfarben. Stattdessen hielt sich die Mannschaft beim Kollektivfoto den Mund zu, eine Handvoll Bonner schaute in den Gastwirtschaften atemlos dabei zu. Ein noch stärkeres Zeichen hätten die Herrschaften in die Welt entsenden können, wenn sie mit geschlossenen Augen gespielt hätten. Am Ergebnis hätte das vermutlich nicht viel geändert. In Summe muss man wohl feststellen: Die Luft für liberale Rinderzüchter wie Cass Casey wird immer dünner.

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