Kommentar Die neuen Griechenland-Hilfen - Akropolis ahoi!

Vom großen Soziologen Max Weber stammt der Satz, Politik sei das Bohren dicker Bretter. Hätte Weber die Griechenland-Krise gekannt, hätte er hinzugefügt: "...das Bohren dicker Bretter im Nebel". Man kennt das Ziel, gerade noch die Richtung, in die gearbeitet wird, aber sieht genau genommen nicht, was man tut. So ist es, und so schwer das den Bürgern fällt: So ist das richtig. Und in diesem Fall alternativlos.

Jüngste Umfragen sprechen eine deutliche Sprache: 46 Prozent der Deutschen würden Griechenland lieber Bankrott gehen lassen, nur 43 Prozent votieren für die neuen Hilfen an Athen. Das Abstimmungsergebnis im Bundestag steht dazu in krassem Gegensatz: Mehr als 80 Prozent stimmten zu. Man kann darin einen Widerspruch sehen, behaupten, das Parlament entferne sich vom Volkswillen. Tatsächlich handelt es sich um einen Akt politischer Führung.

Denn die - natürlich gegebene - Alternative wäre verhängnisvoll: Griechenland sich selbst zu überlassen, hieße nicht nur, das Land weiter zu ruinieren, sondern den Euro-Raum insgesamt zu destabilisieren. Fällt Athen, kann Madrid sich nicht mehr lange halten. Deshalb ist es vernünftig, wenn die Politik so handelt, wie sie handelt, auch wenn sie den Bürger dabei (noch) nicht hinter sich weiß.

Das "noch" speist sich aus Erfahrungen, die nicht laut genug als Erfolge propagiert werden. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat es gestern im Bundestag getan, als er Fortschritte in Griechenland anerkannte, auch wenn zwei Drittel der Bevölkerung glauben, die Griechen täten zu wenig. Für die dortige Oberschicht - da hat die Linke Recht - trifft das gewiss zu. Für den einfachen Bürger ganz und gar nicht. Man kann es nicht oft genug sagen: In Deutschland wäre die Hölle los, wenn dem Bürger auch nur annähernd das zugemutet würde, was die Griechen derzeit erleben.Viel mehr Fortschritte als die Griechen haben die Iren gemacht. Das ist nur ein Beispiel. Es zeigt, dass es auch in dieser Krise keinen Automatismus gibt.

Dass auch die deutsche Politik diese permanenten Kurskorrekturen, diese immer wieder ergänzten Hilfszusagen eigentlich nicht will, versteht sich von selbst. Dass sie immer häufiger dennoch von einem "Nein" über ein" Ja, aber" zu einem "Ja" fand, ist dennoch erklärlich. Der Vorwurf der SPD an die Adresse der Bundesregierung geht in diesem Punkt deshalb am Kern vorbei. Der Nebel ist schlicht zu dicht, als dass man die Wege weit im Voraus sehen konnte.

Dennoch hat die Regierung im Vorwahljahr natürlich ein Interesse daran, die Risiken für den deutschen Steuerzahler nicht noch stärker zu betonen. So wie die Opposition ein Interesse daran hat, diese Risiken - und "die ganze Wahrheit" - zu beschwören. Dass die SPD gestern dennoch zustimmte, ist nur vordergründig überraschend. Sie weiß, warum. Sie könnte als Regierung nicht anders handeln.

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