Kommentar Die Nordkorea-Krise - USA handeln schlau

Es macht sich immer gut und ist doch oft zu simpel, die Schuld zunächst einmal bei George W. Bush zu suchen. Im Falle der Nordkorea-Krise ginge das so: Der damalige, gerade in Deutschland besonders umstrittene US-Präsident war es, der Nordkorea 2002 kurzerhand mit Iran und Irak zur "Achse des Bösen" erklärte und die von seinem Vorgänger Bill Clinton ausgesprochene Nichtangriffsgarantie aufkündigte.

Im darauf folgenden Jahr erklärte Nordkorea seine Zustimmung zum Atomwaffensperrvertrag für null und nichtig. Es folgten Atombomben- und Raketentests Pjöngjangs, böse Reaktionen des Westens, Sanktionen, Drohungen, Gegendrohungen. Die Spirale der Eskalation drehte sich, mal schneller, mal langsamer, zwischendurch gab es Entspannungssignale - und nun steht die Welt vor einem Abgrund irgendwo zwischen Krise, Konflikt und Krieg. Müssten die USA nicht spätestens jetzt den Fehler Bushs korrigieren und auf Nordkorea mit einem konkreten sicherheitspolitischen Angebot zugehen? Wenn es denn so einfach wäre ...

Zunächst einmal hat man es in Pjöngjang nicht mit einem "normalen" Verhandlungspartner zu tun. Mit einer Regierung, die sich um internationale Gepflogenheiten nicht schert, die der halben Welt auf eine Weise mit der atomaren Vernichtung droht, dass man nicht weiß, ob man gerade Zeuge einer irrsinnig witzigen Komödie oder einer ebenso irrsinnig beängstigenden Tragödie wird - mit einer solchen Regierung kann man sich nicht an einen Tisch setzen.

[kein Linktext vorhanden]Nicht einmal ein kurzes Telefongespräch ist denkbar. Man stelle sich vor, Barack Obama würde jetzt Kim Jong Un anrufen. Abgesehen von der Frage, was er ihm sagen könnte ("Lass den Quatsch!" vielleicht?), wäre das eine gefährliche Aufwertung des Regimes. Es würde für seine unverschämten Drohungen und Erpressungsversuche geradezu belohnt und lernen, wie das große Ziel zu erreichen ist: auf Augenhöhe mit den USA zu kommen.

Andererseits verbietet es sich, die Entschlossenheit Nordkoreas zu testen. Wer weiß schon so genau, ob Kim und seine Generäle nicht lieber den kollektiven Selbstmord wählen, wenn sonst nur noch ein Zurückweichen inklusive Gesichtsverlust bliebe? In dieser beinahe aussichtslosen Lage hat Washington gestern etwas sehr Schlaues getan: Es hat einen unwichtigen Raketentest abgesagt und so, während es in der Krisenregion militärisch demonstrativ aufrüstet, ein kleines Entspannungssignal gesendet, das nicht als Zeichen von Schwäche missverstanden werden kann.

Ohnehin wird von Tag zu Tag deutlicher, dass der Schlüssel für eine Überwindung der Krise eher in Washington als in Peking liegt. Peking hat erstaunlich wenig Einfluss auf Pjöngjang und sieht der wachsenden US-Militärpräsenz vor seiner Haustür dem Anschein nach ruhig zu. Zumindest noch.

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