Kommentar zur Bundesliga Die Quarantäne-Liga

Meinung | Berlin · Die Fußball-Bundesliga darf weitermachen. Diese Nachricht verheißt so etwas wie Normalität in diesen ungewöhnlichen Zeiten. Doch die Entscheidung ist trügerisch und steht auf wackeligem Boden, kommentiert unser Autor.

 Demnächst darf die Bundesliga erneut mit Geisterspielen starten, so wie hier am 11. März in der Partie von Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln.

Demnächst darf die Bundesliga erneut mit Geisterspielen starten, so wie hier am 11. März in der Partie von Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Anpfiff. Die Fußball-Bundesliga darf weitermachen. Das ist die gute Nachricht der Politik an den bezahlten Fußball, an die Millionen Fans, an die Sponsoren. Sie verheißt so etwas wie Normalität in außergewöhnlichen Zeiten. Doch diese Normalität ist trügerisch, sie steht auf wackeligem Boden, weil sie schnell von einer neuen Entwicklung, von einer neuen Wirklichkeit eingeholt werden kann. Dann hieße es wieder: Mannschaften ab in die Kabine, ab in die Quarantäne. Abpfiff.

Wenn alles gut läuft, wenn ein unsichtbares Virus nicht Dreier- und Viererketten angreift, wird in der Saison 2019/2020 doch noch ein Meister auf dem Spielfeld ermittelt, ebenso die Absteiger sowie die Teilnehmer an der Champion League und der Europaliga. Die Politik hat mit ihrer Entscheidung den Ball nun in die Tiefe des Raumes der Unterhaltungs- und Geldmaschine Fußball-Bundesliga gespielt. Der Profifußball kann sich wieder mit frischem Fernsehgeld versorgen und vermutlich einige Insolvenzen, die bei einem Saisonabbruch gedroht hätten, abwenden. Dabei ist diese Krise auch eine Chance über die absurd hohen Spielergagen und Ablösesummen nachzudenken, eine Gelegenheit, einen überhitzten Markt herunterzukühlen.

Risiken sind weiterhin da

Gesamtgesellschaftlich kann man sich über die Bundesliga freuen, natürlich auch für den Breiten- und Freizeitsport, der endlich wieder starten darf. Doch halten auch Geisterspiele – selbst bei geschlossenen Fußball-Kneipen – Risiken bereit. Private Fantreffs an Spieltagen bergen die Gefahr ungezählter Mini-Ischgls, die kein Gesundheitsamt und Ordnungsamt jemals kontrollieren könnte. Abstandsgebot? Vielleicht 9,15 Meter für die Freistoßmauer auf dem Platz, aber nicht 1,50 Meter in heimischen Wohnzimmern bei Toren, Bier und Ärger über den Videoentscheid.

Doch noch ist nicht sicher, ob diese Spielzeit tatsächlich zu Ende gespielt werden kann. Denn auch die Fußball-Bundesliga bewegt sich auf einem Experimentierfeld. Muss erst einmal eine Mannschaft wegen positiver Corona-Fälle in Quarantäne und somit für mindestens 14 Tage vom Feld, gilt dies auch für ihren letzten Gegner. Dann fällt dieses fragile Kartenhaus sehr schnell ins sich zusammen. Die Bundesliga würde bald zu einer Quarantäne-Liga mit rudimentärem Spielbetrieb. Und natürlich darf der bezahlte Fußball, auch wenn dessen Lobby mächtig ist, keine Tests verbrauchen, die sonst Pflegern, Ärzten und Patienten fehlen. Fußball ist wichtig, aber er ist nicht systemrelevant.

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