Kommentar Die Reform der katholischen Kirche - Revolution von oben

Vor kurzem mochte man ihn noch Reformator nennen, jetzt weiß man: Es ist revolutionär, was der neue Papst plant. Franziskus bricht alle Tabus, die man brechen kann, wenn man die Realität der katholischen Kirche betrachtet. Er, Nachfolger von Petrus, dem Fels, lässt gewissermaßen keinen Stein auf dem anderen.

Er spricht aus, was Millionen Katholiken beinahe schon nicht mehr zu denken, geschweige denn auszusprechen wagten: Das Bild, das der Papst von seiner Kirche zeichnet, ist so realistisch, dass selbst Kirchenkritiker überrascht sind von seiner Deutlichkeit.

Längst geht es nicht mehr nur um den Beichtstuhl, der nach Franziskus' Worten kein Folterinstrument sein darf. Es geht um die Fundamente der Weltkirche. Übrigens nicht um die Fundamente des Glaubens, da ist Franziskus nicht veränderungswillig.

Im Gegenteil: Er will die katholische Kirche endlich wieder dorthin bringen, wo sie hingehört: zu den Gläubigen und zu ihrem Glauben. Das aber will er nicht verwirklichen durch wissenschaftlich geprägte Abhandlungen, wie es sein Vorgänger Benedikt XVI. getan hat, nicht durch missverständliche Formulierungen wie der von einer notwendigen Entweltlichung, sondern durch ein In-die-Welt-Gehen, wie es so lange kein Papst mehr gepredigt hat.

Das erste Opfer dieser Revolution von oben ist die römische Kurie. Seit gestern beraten acht Kardinäle aus der ganzen Welt über ihre Reform. Treffender ist wohl die Bezeichnung: über ihre Abschaffung, jedenfalls in der heutigen Form. Das geht Franziskus im Übrigen völlig undiplomatisch an.

"Der Hofstaat ist die Lepra des Papsttums" - das hätte mal vor wenigen Monaten jemand von irgendeiner katholischen Kanzel aus sagen soll. Er hätte am kommenden Tag bei seinem Bischof zum Rapport antreten müssen. Franziskus spricht von Höflingen und Narzissten. Vernichtender kann eine Kritik an der eigenen direkten Umgebung nicht sein.

So sensationell wie diese Kritik ist die Reaktion darauf: Es gibt keinerlei wahrnehmbaren Widerspruch. Als hätten es alle schon lange gewusst, nur nicht gesagt. So ist es natürlich nicht. Selten hat sich in einer Großinstitution so schnell und so kräftig der Wind gedreht.

Dagegen wirken die jüngsten Einlassungen des Kölner Kardinals Joachim Meisner über die falsche Kleidung vieler Priester und Ordensleute oder über das notwendige solidarische Zusammenstehen der Bischöfe selbst in einem würdelosen Fall wie dem des Limburger Bischofs merkwürdig deplatziert. Gut zu wissen, dass der Münchner Kardinal Reinhard Marx, eines der acht Mitglieder der römischen Reformkommission, ähnlich denkt wie der Papst.

Wohlan denn: Die katholische Kirche kann aufatmen. Mit diesem Papst hat sie eine Zukunft.

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