Kommentar zur EU und Belarus Die richtige Antwort

Meinung · Es ist angebracht, dass die EU ihre Stimme erhebt und sich zur Situation in Belarus klar positioniert. Die jetzige Reaktion der Europäer kann aber nur ein erster Schritt im Umgang mit dem Wahlfälscher Lukaschenko sein. Ein Kommentar von Eva Quadbeck.

   Virtueller Krisengipfel: Die EU-Staats- und Regierungschefs schalteten sich per Video zusammen.

Virtueller Krisengipfel: Die EU-Staats- und Regierungschefs schalteten sich per Video zusammen.

Foto: AP/Olivier Hoslet

Die Demonstranten in Belarus müssen gar nicht die europäische Flagge bei ihren Kundgebungen zeigen. Es ist Machthaber Alexander Lukaschenko auch so klar, was seine Gegner wollen: Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und demokratische Wahlen, die ihren Namen verdienen. Und auch wenn Europa genug eigene Probleme hat, wie Lukaschenko hämisch betont, so werden die Basiswerte der Demokratie in der EU doch gelebt.

Umso mehr Angst hat der Diktator vor dem Einfluss seiner demokratischen Nachbarn. Die Europäische Union hat in der Tat so viele eigene Baustellen, dass sie den moralischen Zeigefinger nicht heben muss. Wenn es aber um die Verteidigung von Menschenrechten geht, dann dürfen und müssen die Europäer immer noch ihre Stimme erheben. Das Vorgehen der EU gegenüber dem beginnenden Bürgerkrieg in Belarus ist die richtige Antwort: Die Gemeinschaft erkennt die offensichtlich gefälschte Wahl nicht an, verhängt Sanktionen und vermeidet eine direkte Einmischung.

Immerhin: Lukaschenko ist nun ein Machthaber, den seine demokratischen Nachbarn nicht mehr als Staatsoberhaupt anerkennen.  Für die Menschen, die in Belarus unter Einsatz ihres Lebens gegen den Diktator protestieren, ist das freilich zu wenig. Eine direkte Einmischung der EU würde den Konflikt allerdings nur verschlimmern. Jede Zuckung der EU kann auch Russlands Präsidenten Putin auf den Plan rufen, der schon lange argwöhnt, die EU wolle den früheren sowjetischen Satellitenstaat aus der russischen Einflusssphäre lösen. Eine Eskalation unter Beteiligung russischer Soldaten in Belarus wäre denkbar.

Putin ist der einzige, der Lukaschenko noch davor bewahren kann, von seinem eigenen Volk verjagt zu werden. Je unabhängiger die Protestbewegung in Belarus von der Europäischen Union bleibt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Putin dem Diktator im Nachbarland nicht beispringt.

Anders als bei der Krim hat Putin in Belarus kein direktes geopolitisches Interesse. Ihm ist es vor allem wichtig, dass sich das Land nicht an den Westen bindet.

Die harte und zugleich diplomatische Reaktion der Europäer kann nur ein erster Schritt im Umgang mit dem Wahlfälscher Lukaschenko sein. Europa muss den Balance-Akt schaffen, dass es zugleich die Solidarität mit den Freiheitskämpfern aufrechterhält und dennoch als Vermittler in dem Konflikt weiter bereitsteht.

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