Kommentar Die Suche nach einem Atommüll-Endlager - Letzte Ausfahrt Ural

Ungeschicklichkeit oder Absicht? Politik geht oft krumme Wege und muss diese meistens auch gehen, weil sie ihre Daseinsberechtigung daraus zieht, widerstreitende Interessen zu einem Ausgleich zu führen. Und wo könnten die Interessen weiter auseinanderliegen als bei der Suche nach einem Endlager für den Atommüll? Aber kaum rieselt das erste Tannengrün langsam auf den Wohnzimmerboden, geht auch schon der Weihnachtsfriede dahin, jedenfalls was das geplante Endlagersuchgesetz betrifft.

Eigentlich hatte Bundesumweltminister Peter Altmaier seit seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr einiges getan, um die parteiübergreifenden Gespräche über ein Suchgesetz nicht nur in Gang, sondern zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

Zusage einer ergebnisoffenen Suche, Erkundungsstopp im Salzstock Gorleben und kurz vor Weihnachten die Ankündigung, einen Tag nach der Wahl in Niedersachsen das Wendland zu besuchen, um dort mit der Anti-Gorleben-Bewegung über das weitere Vorgehen zu reden. Altmaier hat bisher einiges Geschick darin bewiesen, Vertrauen bei den Bürgern zu schaffen, und sich damit wohltuend abgesetzt von seinem Amtsvorgänger Norbert Röttgen.

Man weiß nicht, was das Umweltministerium nun geritten hat, den Passus über eine mögliche Atommüllendlagerung im Ausland in die Atomgesetznovelle einzufügen. Der zeitliche Druck auf die Umweltverbände, innerhalb von nicht einmal zwei Wochen zu dem Entwurf Stellung zu nehmen, ist unverständlich und politisch ungeschickt in einer so heiklen Materie. Die Argumentation des Ministeriums, man tue das nur, weil eine EU-Richtlinie umgesetzt werden müsse, ist fadenscheinig. Denn auf vielen anderen Politikfeldern lässt sich Deutschland von Brüssel mitnichten einschüchtern. Entweder setzt es Richtlinien schlicht nicht um, oder es verwässert Vorschläge so lange, dass sie kaum noch das eigentlich angestrebte Ziel erreichen.

Es mag sein, dass weiterhin der gesetzliche Vorrang gilt, den im Land produzierten Atommüll auch innerhalb der deutschen Grenzen dauerhaft zu lagern. Und doch lässt sich der Verdacht nicht aus der Welt schaffen, dass sich die Bundesregierung ein Hintertürchen offenlassen will. Vor 40 Jahren schien sich der Salzstock Gorleben noch als Atommüllendlager zu eignen, heute sind die meisten überzeugt, dass man gar nicht mehr forschen muss, weil das Gegenteil bewiesen sei. Werden jemals in Deutschland Bürger für ein Endlager bei sich um die Ecke gewonnen werden können?

Und so könnte sich ein gesetzlicher Passus, der auch eine Lagerung radioaktiven Mülls vielleicht jenseits des Urals ermöglicht, als letzter Ausweg erweisen. Kein Wunder, dass die Deutschen diese Richtlinie in Brüssel nicht verhindert haben.

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